Nicht wenige Männer fühlen sich bestätigt. „Wenn ein Mann die ehemalige Vizepräsidentin des OGH mit der Bemerkung „Die geht mir am Oasch“ aus dem U-Ausschuss gemobbt hätte, hätten Sie und alle anderen Rücktritt, Rücktritt gerufen und nicht Verständnis gezeigt wie bei der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper“, empört sich ein Leser. Ob er recht hat? Keine Frage, er hat recht. Ein Mann, der eine Frau aus dem Ausschuss gemobbt hätte, wäre verbal geprügelt worden. Da hätte kaum jemand beschwichtigt, es sei nur ein „entfleuchtes Schimpfwort“ gewesen.
Entfleuchtes Schimpfwort? Ein O-Sager hat auch bei größter Kritik an der Verhandlungsführung nichts im Hohen Haus verloren. Zermürbende Sitzungen mögen Ärger provozieren, eine Entschuldigung für Respektlosigkeit sind sie nicht. Wie es auch keiner Lehrerin einfiele, O-Sager von sich zu geben, weil Schüler sie provozieren.
Die Verfahrensrichterin meinte jetzt, nach dem O-Sager der Neos-Politikerin wäre es „unter meiner Würde“ gewesen, weiter tätig zu sein. Das mag hochtrabend klingen. Menschlich klingt, was sie meinte. Dass sie sich in ihrer Würde verletzt fühlte. Darüber werden vielleicht jene lächeln, für die sie eine Fehlbesetzung war. Und manche werden sich über ihre Kritik mokieren, dass ein mutmaßlicher Mörder mit mehr Respekt behandelt werde als Auskunftspersonen im Ibiza-U-Ausschuss. Ob Politiker mit demenzähnlichen Erinnerungslücken in einem Ausschuss überhaupt Respekt verdienen?
Wer Respekt davon abhängig macht, ob Personen sich verhalten wie erwünscht, kennt keinen Respekt. Wie meinte der umstrittene Ibiza-Ausschussvorsitzende, der von der Neos-Frau eine klare Entschuldigung forderte? Anstand kenne keine Immunität. Nein, kennt er nicht. Die Frage ist nur, wie Abgeordnete Anstand und Respekt definieren.