Eine ältere Dame packt aus. Sie will anonym bleiben. Nicht etwa, weil sie Angst vor dem Präsidenten hätte. Nein, das nicht. Sie fürchtet den Tratsch von Amiens, der nordfranzösischen Kleinstadt, wo noch immer der Geist herrscht, der schon Emma Bovary, die traurige Heldin Flauberts, erstickte. Sie erzählt, wie sie sich die Mäuler zerrissen haben, damals, wie sie Brigitte durch den Schlamm gezogen haben, wie sich die Bourgeoisie gestört gefühlt hat durch dieses ungleiche Paar. Der junge Emmanuel Macron sei nicht der erste Schüler gewesen, der sich von der schönen Brigitte Auzière, wie sie damals hieß, angezogen gefühlt habe. Sie war eine besondere Lehrerin, sie ist eine ganz besondere Frau: vor Fantasie sprühend, intelligent, kultiviert, lebenslustig, leidenschaftlich, kühn, sei sie. Das sind die Worte der älteren Dame. Erst dachten alle, so erzählt sie, er habe sich in Laurence verguckt, in Brigittes Tochter, die in seine Klasse ging. Aber nein. „Sie waren verliebt ineinander.“ Punkt. Aus.

Wenn’s denn so einfach wäre. Der junge Macron wird fortgeschickt, muss zum Abitur nach Paris. Aber es hilft alles nichts. Wo die Liebe hinfällt. Eine Geschichte wie bei Shakespeare. Heute nennt man das einen Crash-Test. „Sie müssen beide in ihren Familien durch die Hölle gegangen sein“, sagt die Frau, die eine ganz eigene Interpretation darüber hat, warum Macron Präsident wurde: Sie nennt es einen „süßen Rachefeldzug“. Als sie Hand in Hand am Wahlabend im Hof des Louvre standen, sei es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen: „Sie haben ihren Unterschied durchgesetzt, vor ganz Frankreich.“

Diese Geschichte und vieles mehr kann man nachlesen in einem Buch der Schriftstellerin Gaël Tchakaloff, einer engen Freundin von Brigitte Macron. „Solange wir zu zweit sind“ (Tant qu’on est tous les deux) gibt Einblick in die Intimität des Power-Paares im Elysée, auf das sich die ganze Welt einen Reim zu machen versucht. Embedded sei sie gewesen, sagt Tchakaloff, als handele es sich um einen Krieg. Es ist ein verrücktes Buch, weder Reportage noch Biografie noch Roman, eher eine Mischung aus allem. Ein Buch über die Liebe. Über die Macht. Über die Einsamkeit an der Spitze, wo die Menschen keine Freundschaft mehr kennen, nur Interessen.