Eine Ampel ist ein grünes Licht, das beim Näherkommen rot wird. Dieses seltsame Alltagsphänomen besteht den Praxistest jedes Autofahrers. Ein kleines, kreisförmiges rotes Licht als Rhythmusbrecher unserer beschleunigenden Gesellschaft. Man wird zum Stillstand verdammt. Und das nicht zu knapp. Statistiker wollen berechnet haben, dass man zwei Wochen seines Lebens vor roten Ampeln wartet.

Da steht man dann. Darf nicht weiter. Ausgebremst. Eine Ampel wirkt wie eine Anhaltetaste für den Alltag. Nicht nur im Straßenverkehr. Breitet sich beispielsweise ein Virus zu rasant aus, kommt sie neuerdings ebenfalls zum Einsatz. Hindert am Weiterkommen. Zwingt zum Stopp. Soll Ordnung und Sicherheit in ein verworrenes, bisweilen gefährliches System bringen. Bis das rote Licht verschwindet und ein, zwei Stockwerke weiter unten das grüne Licht zu leuchten beginnt. Global verstandenes Signal für „Los geht’s!“, „Keine Gefahr!“, „Freie Fahrt!“.

Erste Ampel explodierte

Begonnen hat diese Art des Reglementierens und Sortierens vor 152 Jahren. Am Parliament Square in London wurde am 9. Dezember 1868 die erste Straßenverkehrsampel installiert und einen Tag später in Betrieb genommen: Eine sieben Meter hohe, gusseiserne Säule mit drei Zeigern, die von einem Polizisten bedient wurden. Stellten sie den Zeiger waagrecht, bedeutete das für Kutschen und Fußgänger anhalten. Standen sie nach unten, war der Weg frei. Für bessere Sichtbarkeit der Anlage während der Nacht, war an der Spitze der Säule eine gasbetriebene Laterne angebracht. Sie leuchtete – je nach Regelphase – in rot oder grün.

Verschiedenes Design - gleiches Ziel: Regeln der Verkehrsströme
Verschiedenes Design - gleiches Ziel: Regeln der Verkehrsströme © APA/dpa

Das Unfallpotenzial zu ebener Erde wurde damit zwar eingeschränkt, in luftiger Höhe des Ampelmastens aber entstand eine neue Gefahrenquelle: Die erste Gaslaterne explodierte immer wieder, am schlimmsten drei Wochen nach ihrer Premiere, wo sie auch noch den diensthabenden Polizisten schwer verletzte. Das war es dann vorerst für die Karriere der Ampel als erfolgreiche Innovation.

Österreich-Premiere 1926

Nach diesem spektakulären Misserfolg in London dauerte es 46 Jahre, bis die erste elektrische Ampel am 5. August 1914 in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio in Betrieb ging. In Verbindung mit Strom war der weltweite Siegeszug der aus dem Schienenverkehr abgeleiteten Regelungsinstrument aber nicht mehr aufzuhalten.
Diese erste Generation verzichtete noch auf das Gelb als Intermezzo zwischen Stop and Go. Erstmals dreifarbig tauchten die Ampeln vor genau hundert Jahren in New York auf, wenig später in Paris, Rom und Berlin. Die erste Ampel in Österreich wurde 1926 in Wien an der Opernkreuzung im 1. Bezirk in Betrieb genommen. Heute regeln allein der Bundeshauptstadt 1300 Ampelanlagen den Verkehr.

Die Lichtsignalanlagen sind zu einem unverzichtbaren Taktgeber des Straßenverkehrs geworden. Man stelle sich vor, wie es in der heimischen Asphaltwüste zugehen würde, wenn es – wie in Buthans Hauptstadt Thimphu – gar keine Ampeln geben würde. Ampeln sind im Urbanen „systemrelevant“ geworden, aber auch „am freien Land“ oder untertag leuchtet und blinkt es. Allein im 8,3 Kilometer langen Gleinalmtunnel , dem nach Arlberg und Plabutsch drittlängsten Autobahntunnel Österreichs, sind 47 Verkehrsampeln installiert.

Fußgängerampeln haben eine jüngere und lichtmäßig nur zweiteilige Geschichte, als vierstufiges Leitsystem für menschliche Begegnungszonen und Beschäftigungen sind Ampeln überhaupt erst eine Erfindung der Corona-Zeitrechnung. Deren verschachtelten Farb- und Maßnahmenskala macht – bei allen bemühten Erklärungen – die Orientierung auch nicht einfacher. Wobei das kein exklusives Covid-Phänomen ist. Auch im Straßenverkehr kann die Vielfalt an Lichtspielen bisweilen trotz üppig formulierter Straßenverkehrsordnungsparagrafen verwirren.

Japan: Grün ist Blau

So darf man in den USA auch an einer roten Ampel in der Regel abbiegen. In Japan bezeichnen die Menschen das Grün der Ampel als „blau“, in Österreich gibt es zwar nur drei Farben, aber eine fünfteilige Lichtsignalfolge: neben Rot, Gelb und Grün noch die Zwischenschritte Gelb/Rot und dann die im Ländervergleich seltene Sonderlösung des Grün-Blinkens. Es bedeutet laut Straßenverkehrsnovelle 1969 „das unmittelbar bevorstehende Ende des Zeichens ,Freie Fahrt’“.

Test für Führerscheinbesitzer: Wie oft blinkt es grün, bevor das Ampelsignal über gelb auf rot umspringt?

Von den Autofahrern wird diese Art der Vorwarnung jedenfalls geschätzt. Ob es den Verkehr zwingend sicherer macht, kann hinterfragt werden. So wird in einer Bachelorarbeit an der Uni Wien nachgewiesen, dass die Geschwindigkeiten beim Einfahren in die Kreuzung mit zunehmender Signalfolge steigen. Das Blinken vor Augen aktiviert demnach instinktiv den Gasfuß.

Künstlerische Kurzzeitintervention in Graz
Künstlerische Kurzzeitintervention in Graz © kk

Manchmal zielen Ampeln aber auch auf die Lachmuskeln ab. Dann nämlich wenn beispielsweise Ampelmännchen aller Art die Fußgänger leiten sollen. Den Status einer fantasiereich vermarkteten Sehenswürdigkeit hat diesbezüglich der behütete, im Grün-Modus stechschrittartige Mann auf Berliner Ampeln erreicht.

Ampel im Boden

In Wien sollen sich herzende Paarvariationen die Weltoffenheit der Stadt symbolisieren, in Duisburg gibt es eine Bergmännchen-Ampel, in Hessen, wo Elvis Presley als Soldat stationiert war, zieren tanzende Silhouetten des „King“ die Ampelflächen, Worms eine Luther-Figur. Und in Augsburg hat man auf die neue, gebückte Körperhaltung der Generation Smartphone reagiert – und Ampellichter auch in den Boden verbaut.

Im Straßenverkehr? Hat längst die künstliche Intelligenz das Kommando übernommen. Automatisch gesteuerte Ampelanlagen passen sich an das Verkehrsaufkommen an, kommunizieren untereinander und künftig wohl mit den Bordcomputern autonom fahrender Autos. Gänzlich verschwinden werden sie aber nie, sind sich Experten einig.

Die heimischen Ampeln blinken übrigens vier Mal grün bevor sie umspringen.