Ach Sommer, könnte man dich doch einfangen!
Ach Sommer, könnte man dich doch einfangen! © dpa (Z1022 Patrick Pleul)

Ganze Heerscharen von kreativen Köpfen üben sich Jahr für Jahr im Kunststück, den Sommer in Worte zu fassen, ihn schillernd, ja geradezu magisch erscheinen zu lassen. Gar, dass er an manchen Orten vielleicht noch schöner sei als anderswo. Aber der Sommer, der kokettiert nicht damit, ob er die schönste aller Jahreszeiten ist, er weiß um sein größtes Talent: Er muss zur Aufführung kommen. Es ist ein ständig wiederkehrendes Schauspiel aus Gerüchen, Temperaturen, Geräuschen, Erinnerungen, das im gesellschaftlichen Kollektiv verankert ist. Wie ein Film, bei dem alle wie auf Kommando mitreden können.

Erstaunlicherweise sind die gebotenen Auftritte oft bescheiden, manche winzig wie jener der Gelsen, andere hingegen furchterregend – wie die bangen Sekunden, wenn man ein Twinni in zwei Hälften teilt: Bleiben beide Eiskolben ganz? Bekommt der eine mehr, der andere weniger Schokolade? Die Antwort auf die Frage: Willst du Grün oder Orange? Mit zwei Worten: Furcht und erregend! Oder die Lust am mehrmals täglichen Schock: Wenn man erhitzt wie eine Herdplatte den Kampf mit dem Wasser aufnimmt. Ja, eh schon wissen, es gibt die, die spielen hier den Helden. Kalt? Aber geh! Aber das Eintauchen, wenn Hitze auf Abkühlung knallt, einem Luft und Worte wegbleiben, bis sich der Schock in absolute Wonne auflöst. Dafür müsste man glatt ein Wort erfinden.



Der Sommer, den muss man riechen können: Sonnencreme? Sommer! Oder frisch gemähtes Gras, das immer noch am besten riecht, wenn man es nicht selbst gemäht hat. Der Geruch von warmen Tomaten auf der Rispe. Wenn der Sommer seine Duftorgel bis zum Anschlag aufdreht, ist man olfaktorisch dauerbeschwipst. Es soll Schlimmeres geben, wobei die Miesepeter hier sofort aufzeigen: Natürlich ist es die Kombination aus Sommerhitz und Sommerhits. Der alljährliche Balanceakt zwischen leicht und seicht. Wo das Pfauchen der Partytiger ins „Alalalala-long“ wechselt, wird selbst dem chronischen Kaltblüter irgendwann warm ums Herz. Noch eines vermag der Sommer: Er stimmt die lärmgeplagte Gesellschaft milde. Das Schnattern, das Schreien, der Lärm und der Trubel – ob Freibad, Strand, Ausflugsziel oder Nachbarskinder. Der Soundteppich des Sommers überschreitet bummelwitzig seine Grenzen.

Der Duft nach Sommer: eine Blumenwiese
Der Duft nach Sommer: eine Blumenwiese © stock.adobe.com

Apropos Grenzen oder eher das Gegenteil davon: Grenzenlosigkeit. Dieser Himmel, dieses Blau, das sich fortwährend in seiner Intensität selbst abmischt, leicht am Morgen, strahlend zu Mittag, melancholisch nachdunkelnd am Abend. Dazu die Hitze, gnädig am Morgen, unerbittlich zu Mittag, flirrend am Nachmittag, erlösend am Abend. Das Kraftwerk Sommer – eine einzige Glücksstrahlung! Doch halt, so ganz ins vorgefertigte Passepartout lässt er sich nicht pressen, der Sommer: Das Donnerwetter, oft weit mehr als nur Theaterdonner, zeigt eines: Das Sommerwetter ist kein feines Austarieren aller Komponenten, es kennt vor allem Extreme. Glück gehabt, wenn es nur ein leichtes, reinigendes Gewitter war, ein Drüberschütter, wie ein coup de foudre, ein Liebesgewitter, kurz und heftig: Die Wasserlacken trocknen auf, das matte Gras richtet sich auf, die Zirpen drehen ihre Regler wieder bis zum Anschlag hoch. Die Pause ist vorbei, die Vorstellung kann weitergehen.

Der Treibstoff des Sommers: Eis
Der Treibstoff des Sommers: Eis © (c) drubig-photo - stock.adobe.com (Diana_Drubig)

Dieser kurze, schmerzhafte Riss in der Glückseligkeit, der gehört offenbar zum Markenkern des Sommers: der Wespenstich, der Sonnenbrand, die holpertatschige Arschbombe, der Biss in fauliges Obst, nicht zu vergessen der Eisblitz. Wenn einem beim Nachtanken des sommerlichen Treibstoffs der Schmerz ins Hirn fährt, als hätte Lord Voldemort einen persönlich zum Eishorn gemacht. Aber nur kurz, denn der Sommer, der kann auch eines: Er verteilt großzügig eine ganz besondere Form von Leichtigkeit. Noch ein Eis? Aber ja, bitte, gerne! Auch nicht zu verachten: Das Ticket für das ganze Schauspiel ist übrigens gratis. Ein All-inclusive-Klub der Vergnüglichkeiten. Das schönste Wort des Sommers? Sommeranfang!