Majestätisch taucht der waschechte Dreitausender in der sizilianischen Ebene auf, mit einer Schneehaube bedeckt. Doch der Ätna ist nicht unser Reiseziel. Wir sehen ihn lediglich aus dem Fenster unseres Busses, der uns von Catania nach Milazzo bringt. Dort nehmen wir das Tragflügelboot in Richtung Liparische Inseln und fahren zum kleinen Bruder des Ätnas, zum „Iddu“, wie die Sizilianer den aktivsten Vulkan Europas nennen. Es ist der Stromboli, auf der gleichnamigen Insel gelegen. Wobei das Eiland hauptsächlich aus dem Vulkan mit etwas Landschaft herum besteht.
Nach anderthalb Stunden haben wir Stromboli-Ort am Fuß des Vulkans erreicht, das Zentrum der kleinen Insel von etwa zwölf Quadratkilometer Ausdehnung. Die erste Überraschung ist der markante schwarze Sand am Strand, und die zweite und sehr erfreuliche ist, dass auf Stromboli nur Zweiräder und dreirädrige Kleintransporter, die legendären Ape, fahren dürfen.

Nino, der freundliche Hausmeister des Hotels Villaggio Stromboli, erwartet uns schon. Das Gepäck kommt auf die Ladefläche der Ape, wir aber gehen zu Fuß. Das ist keine Affäre, denn der Ort besteht im Wesentlichen aus zwei Hauptstraßen mit einigen Querverbindungen. Wegen der Hanglage geht es jedoch mitunter ordentlich bergauf. Das Hotel liegt malerisch an der Steilküste, gegenüber dem pittoresken Inselchen Strombolicchio, Kern eines einstigen Vulkans. Im Hof vor der Rezeption springen uns außer den schönen Blumen riesige Fotos von Hollywoodstar Ingrid Bergman und Regisseur Roberto Rossellini ins Auge. Es ist zwar schon eine Zeit lang her, dass hier 1949 der Film „Stromboli – Terra di Dio“ gedreht wurde. Doch auf der Insel finden sich überall Spuren des legendären Liebespaares. Sogar das kleine Haus im Ort, in dem sie während der Dreharbeiten lebten, ist heute ein Museum.

Damals war Stromboli eine trostlose und arme Insel, im Schatten eines bedrohlichen Vulkans mit wenigen Einwohnern. Viele waren der Armut entflohen und nach Australien oder Amerika ausgewandert. Heute sind die Liparischen Inseln zum gediegenen Urlaubsparadies mutiert, blieben zum Glück aber wegen der kleinen Strukturen vom Massentourismus verschont.

Auch Wanderer lieben die fruchtbare vulkanische Landschaft. Auf Stromboli kann man zum Beispiel mit dem Boot in das auf der anderen Inselseite gelegene Dorf Ginostra fahren, das nur auf dem Seeweg erreichbar ist. Dort geht man bis nahe an die Sciara del Fuoco. Über diese steile Rinne rollen bei Ausbrüchen Asche, Schlacken und Lava ins Meer. Ein imposanter Anblick!

Wir haben das natürlich auch gesehen und noch mehr. Doch jetzt warten wir auf den Höhepunkt der Reise, den Aufstieg auf den Stromboli. Wann der Zeitpunkt passt, entscheiden die professionellen Bergführer vor Ort aufgrund des Wetters. Wir bekommen Helme, die sind Pflicht. Unser Bergführer Marco kontrolliert, ob alle knöchelhohe Trekkingschuhe tragen und ihre Stirnlampen dabeihaben. Hinunter werden wir nämlich in der Finsternis marschieren.

Steile Serpentinen führen in die Höhe, es ist anstrengend und wir müssen bis auf 918 Meter hinauf. Da gerät man ordentlich ins Schwitzen und Keuchen. „Ihr Ösis müsst das doch gewohnt sein“, ruft die fitte Bettina aus Hamburg mir zu. „Na ja, wir kraxeln ja auch nicht jeden Tag in den Alpen umher“, stöhne ich zurück. Entschädigt werden wir für den unglaublich schönen Anblick hinunter, das Meer glitzert in der Dämmerung. Nach guten drei Stunden auf den Beinen pausieren wir und setzen die Helme auf. Es weht kein Lüftchen, die Sicht ist klar und wir sehen etwas Rauch über den Krateröffnungen des Stromboli.

Dann geht es noch ein paar Meter auf ein kleines Plateau oberhalb der Krater und pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit packen alle ihre Fotoausrüstungen aus und harren der Geschehnisse. Und es geht tatsächlich los! Es grollt und donnert und ein tiefroter Feuerregen schießt aus einem Krater und kurz darauf aus dem anderen. „Ah“ und „oh“ hört man oft, denn dank der optimalen Bedingungen verweilen gleich einige Gruppen am Plateau. Das sei sehr selten der Fall, erklärt Marco: „Siete fortunati!“. Ja, wir haben Glück. Meistens rieche man Schwefeldämpfe und bekomme Ascheregen ab, doch wir genießen dieses erstaunliche Schauspiel ohne Störung.

Nach einer Dreiviertelstunde und drei weiteren Eruptionen ruft uns Marco und sagt: „Wir gehen durch ein Aschefeld hinunter. Bleibt weich in den Knien!“ Ein guter Rat, denn man spürt mehr, als man sieht. Es fühlt sich am ehesten an wie im Tiefschnee, man sinkt ständig ein. Manche kämpfen mit Asche in Augen und Schuhen, doch pausieren dürfen wir erst nach dreißig Minuten, als wir wieder in botanischer Umgebung sind.

Zurück im Ort sind wir alle noch immer ergriffen und euphorisch und steuern eine Bar an. Bei einem verdienten Glas Bier wollen wir das Erlebnis Iddu gemeinsam verarbeiten. Natürlich gehen wir ins „Ritrovo Ingrid“, gleich bei der Kirche.

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