Man könnte meinen, man befindet sich an der französischen Loire. Doch die alten Adelssitze im Tal der Adler (tschechisch: Orlice) haben einen Dornröschenschlaf hinter sich. In den 1940er-Jahren wurden ihre Besitzer enteignet, die Herrenhäuser anderen Zwecken zugeführt, die Einrichtungen zerstört oder verkauft.

Nach 1990 wurde die Mehrheit der Besitztümer an die ursprünglichen Eigentümer rückerstattet. So auch das Schloss Kostelec der Grafen Kinsky. Frantisek Kinsky ist 1992 aus Prag zurückgekehrt, um sein Schloss, das um 1830 im Empire-Stil erbaut wurde, in fünfter Generation zu bewohnen. In den Räumen wird, mit vielen Hinweisen auf die Familiengeschichte, das Leben im Biedermeier gezeigt.

Die weitläufige Schlossanlage gilt auch als Naturreservat, denn die Wälder und Auenbestände sind noch erhalten. Die Fluss-Auen der „Wilden Adler“ wurden in das Gesamtkonzept der Anlage einbezogen. „Graf Kinsky“, wie er respektvoll von den Einheimischen genannt wird, bekleidet auch das Amt des Bürgermeisters und setzt sich sehr für die touristische Erschließung der Region ein. Als Ausflugsziele sind die Schlösser an der Adler nämlich bisher nur bei den Pragern bekannt und beliebt.

Als Filmkulisse ist das Schloss Doudleby berühmt. Das Renaissanceschloss besticht vor allem mit seiner außergewöhnlichen Sgraffito-Fassade und den sieben Meter hohen Kaminen. Das ursprüngliche Jagdschloss wurde 1588 erbaut und befindet sich im Besitz von Peter Dujka. „Eine akademische Ausbildung war mir verwehrt, ich galt als verdächtig“, erzählt der Adelsspross. 1993 bekam er sein Familienschloss restituiert. Seine Mutter Eleonora Dujková hat ein Buch über ihr bewegtes Leben geschrieben, immerhin ließ ihr Vater das Kurhaus am Semmering erbauen.

Auch die Sternbergs haben eine spannende Geschichte zu erzählen. 1942 geriet ihr Schloss Castolovice unter deutsche Zwangsverwaltung, worauf sich die Familie bald gezwungen sah, es zu verlassen. Diana Sternberg ist mit ihrer Mutter Cecilia nach Amerika geflüchtet, wo ihre Tochter Alexandra Gräfin Hardegg zur Welt kam. Seit 1992 pflegen die beiden das Schloss mit seinen wertvollen Sammlungen. Fotos mit Václav Havel erzählen von der engen Freundschaft der Hausherrin mit dem Revolutionär.

Nicht nur das Interieur und die Architektur, sondern auch die traumhafte Gartenlandschaft lässt Besucherherzen höherschlagen. Beliebtes Ausflugsziel für Kinder ist der Kleintierzoo. Die Adler am Dachgesims erinnern an den Fluss, der alle Schlösser und Burgen hier verbindet.

Über den Mäandern der Adler erhebt sich die Ruine Potstejn. Noch heute erzählt man sich Geschichten über die Raubritter und die erfolglose Suche nach deren Schätzen. Tunnels, die von den Glücksrittern gegraben wurden, gefährden die Burg bis heute. In der Johannes-Nepomuk-Kapelle mit den Treppen aus dem 18. Jahrhundert wird gerne geheiratet. Die barocke Liebe zu Treppen ist auch an der nahen Wallfahrtskirche Homole erkennbar. Die 153 Stufen sind ein beliebtes Fotomotiv, nicht nur bei Hochzeiten.

Von der Burg sieht man auf das Barockschloss Potstejn herab, das um 1750 erbaut wurde. „Die Familie Dobrzensky erhielt ihren Besitz nicht zurück, weil ihr vorgeworfen wurde, mit den Deutschen kollaboriert zu haben“, erzählt Zdenek Novácek. Der erfolgreiche Unternehmer hat das heruntergekommene Schloss vor 15 Jahren gekauft. Heute können sich die Besucher in Barockkostüme kleiden und erfahren in der deutschsprachigen Führung von den Nachteilen dieser unbequemen Frauenkleidung.

Ums Eck, beim Bier der Brauerei Clock, wird man wieder in die Gegenwart zurückgeholt. Viele Jungunternehmer unterstützen auf kulinarische Weise das neue Erstarken der Region. Auch der Koch Pavel Hubálek ist wieder in seine Heimat zurückgekehrt, um seine Gäste mit der traditionellen böhmischen Küche zu verwöhnen. Er entdeckt die alten „behmischen“ Rezepte, für die seine Großmutter als Haushälterin und Köchin in Wien beliebt war. Seine Spezialität sind gebackenen Kutteln (Drst'ky). „Ich habe sie in einem alten Kochbuch gefunden und seit Beginn auf meiner Speisekarte“, erzählt er begeistert. Eine böhmische Spezialität ist auch die Suppe Kyselka. Hubáleks Variante ist mit Kaninchenfleisch und Kartoffeln, abgelöscht mit Wein.

So wie sich der Koch auf seine Wurzeln besinnt, sind die Aristokraten in ihre Adlerhorste zurückgekehrt.

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