Geschiedene Elternteile nennen beim Erstkontakt zu ihrem Rechtsanwalt oft das Thema Obsorge. Bei genauerem Nachfragen geht es dann aber meistens um das Kontaktrecht, also um das Ausmaß des Kontakts zwischen Vater, Mutter und Kind. Davon kann auch die Wiener Rechtsanwältin Katharina Braun ein Lied singen: „Typische Vorwürfe, die ich zu hören bekomme, wenn jemand will, dass sein Kind weniger Zeit mit dem anderen Elternteil verbringt, sind: Mein Kind bekommt dort nur Fast Food zu essen; es darf beim Essen fernsehen – oder: mein Ex kümmert sich nie um die Schulaufgaben!“

Grundsätzlich gibt sie allen Mandanten zu bedenken: „Jeder Streit zwischen Elternteilen belastet natürlich auch die Kinder. Und Regelungen, die das Kind betreffen, sind nie endgültig: Ein Elternteil kann, wenn sich die Lebensumstände ändern, jederzeit einen Antrag auf Abänderung stellen.“

Tatsächlich geht es beim Streit ums Kontaktrecht, wie Braun betont, meistens um unterschiedliche Erziehungsauffassungen und Wertvorstellungen der Elternteile: Fragen der Ernährung, Freizeitgestaltung und des Lernverhaltens werden zum Minenfeld.
Wer das gerichtlich durchfechten will, muss wissen: „Es gibt im Gesetz keine Definition des jeweiligen Kontaktumfanges. Dieser kann immer nur für den Einzelfall festgelegt werden“, sagt die Anwältin und ergänzt: „Bei kleineren Kindern heißt es: ,geringerer Umfang, dafür in kürzeren Intervallen.' Bei größeren Kindern hingegen ist ein typisches Regelkontaktrecht jedes zweite Wochenende - zum Beispiel von Samstag bis Montag, beziehungsweise bis zum Schulbeginn – und dazwischen jeweils ein Nachmittag.“ Hinzu kämen Ferienkontaktregelungen, die dem regulären Kontaktrecht vorangehen.

Ein reguläres Kontaktrecht sind 80 Tage im Jahr, wobei, wie die Juristin betont, von der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet ist, ob unter einem Kontakttag ein bestimmtes Stundenausmaß zu verstehen ist und ob damit auch eine Nächtigung eingeschlossen wird. Wenn um jeden einzelnen Tag erbittert gestritten wird, liegt das jedenfalls nicht immer nur an den Emotionen, sondern häufig auch einfach am lieben Geld: „Für jeden Tag, der über das reguläre Kontaktrecht hinausgeht, steht dem Kontaktrechtselternteil eine Reduktion des Kindesunterhalts zu“, gibt die Expertin zu bedenken.

Vor Gericht kommt es bei der konkreten Ausgestaltung des Kontaktrechtes jedenfalls auf Fragen wie diese an: Wer hat sich bis dato wie um das Kind gekümmert? Wer hat es von der Schule abgeholt? Wer hat es bei den Hausaufgaben betreut? Und ist die von einem Elternteil gewünschte Kontaktregelung überhaupt mit seinen beruflichen Verpflichtungen vereinbar?
„Häufig wird auch gefragt, ob die Größe eines Kinderzimmers Einfluss auf den Umfang des Kontaktrechtes Einfluss hat“, berichtet Braun. Die Antwort lautet: „Nein. Wichtig ist, dass die Wohnverhältnisse sauber und ordentlich sind.“

Die Kinder haben mitzureden

Gut zu wissen ist auch: Bei Kindern ab 14 Jahren hat ein Kontaktrechtsstreit überhaupt keinen Sinn mehr. Ab diesem Alter können Kinder nämlich selbst entscheiden, wie viel Zeit sie bei Mutter oder Vater verbringen wollen. Braun: „Wenn also ein 15-jähriges Kind nicht mehr zu einem Elternteil will, so ist das grundsätzlich hinzunehmen - vorausgesetzt das Kind ist hierfür reif genug und der Wille wird konsistent vorgetragen.“
Von Müttern hört Braun immer wieder die Klage: „Das ist ungerecht. 14 Jahre lang hat sich der Vater nicht um das Kind gekümmert, jetzt überschüttet er es mit Geschenken und lockt mit Freiheiten. Die Schule kommt viel zu kurz, aber das Kind will nur mehr bei ihm sein.“ Rechtlich sei dem leider nichts entgegenzusetzen. Für Mütter ergebe sich in diesen Fällen auch eine Kindesunterhaltsverpflichtung. Braun warnt: „Auch jüngere Kinder können vom Gericht gefragt werden, ob sie mit dem Kontaktrecht, das ihre Eltern vereinbart haben, einverstanden sind. Stimmen Sie mit ihren Kindern also in jedem Fall ab, ob die angestrebte Regelung für sie auch in Ordnung ist!“

Übertragung der Beaufsichtigung

Egal, wie das Kontaktrecht im Einzelfall geregelt wird: Jeder Elternteil, der das Kind bei sich hat, trägt in dieser Zeit auch die Verantwortung für das Kind. Er kann sich bei seiner Beaufsichtigung aber durch „hierfür geeignete“ Personen vertreten lassen. „Dann trägt er aber auch die Verantwortung für diese Personen“, sagt Braun. Sollte nun etwa ein Elternteil sein Kind während seiner Arbeitszeit von seinem neuen Partner beaufsichtigen lassen und diese Person vernachlässigt das Kind nachweislich, hat das Konsequenzen. Braun: „Je nach Fall kann das aufgrund einer Kindeswohlverletzung zu einer Kontaktrechtseinschränkung oder sogar zur Entziehung der Obsorge führen.
Kindeswohlverletzungen sind freilich nicht einfach zu beweisen, vor allem, wenn die Kinder noch klein sind. Das verleitet Mütter und Väter mitunter zu (nicht nur juristisch) bedenklichen Praktiken: etwa wenn sie Tonaufzeichnungsgeräte in den Rucksäcken ihrer Kinder verstecken und sie nach dem Besuch beim anderen Elternteil regelrechten Verhören unterziehen. „Auch das grenzt mitunter an Kindeswohlverletzung“, warnt Braun.

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