1. Ich bin auf einem kaum geräumten und eisigen Gehsteig vor einem Wohnhaus ausgerutscht und gestürzt. Wer haftet da? Würde es einen Unterschied machen, wenn ich vor einem Geschäft am Gehsteig gestürzt wäre?
    ANTWORT: Innerhalb des Ortsgebietes besteht für Eigentümer von Liegenschaften die  Pflicht, Gehsteige und Gehwege innerhalb der Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr von Schnee und Verunreinigungen zu säubern, sowie bei Schnee oder Glatteis zu streuen. "Die mangelhaft Durchführung dieser Verpflichtung kann zur Haftung gegenüber Fußgängern führen, die dadurch zu Sturz kommen", sagt der Kärntner Versicherungsexperte Reinhard Jesenitschnig. Ist kein Gehweg vorhanden, muss ein Streifen von 1 Meter Breite (auch wenn es sich um die Fahrbahn handelt) gesäubert und gestreut werden. Diese Verpflichtungen ergeben sich aus der Straßenverkehrsordnung, Pragraf 93.

  2. Anschließend an die erste Frage: Kann eventuell auch Fußgängern und Fußgängerinnen ein Mitverschulden angelastet werden? 
    ANTWORT: "Ja, ein Mitverschulden ist denkbar, etwa wenn bei Schnee und Eis Schuhwerk mit glatten Sohlen verwendet wird oder wenn für den Fußgänger die Gefährlichkeit von einzelnen Stellen leicht erkennbar gewesen wäre – etwa durch Eisplatten", sagt der Versicherungsexperte.

  3. Und was ist, wenn ich stürze, obwohl der Gehweg perfekt geräumt war?
    ANTWORT:
    Das ordnungsgemäße Räumen und Streuen befreit den Grundeigentümer von der Haftung gegenüber trotzdem zu Sturz gekommenen Personen. "Die Räum- und Streupflicht kann auch nicht überspannt werden. So ist es nicht erforderlich, dass bei anhaltendem Schneefall durchgehend geräumt wird, sondern in angemessenen Abständen – was dann letztlich das Gericht zu beurteilen hat", wendet Jesenitschnig ein.

  4. Wer haftet, wenn man auf einem eisigen, schlecht oder nicht geräumten Parkplatz zum Beispiel eines Supermarktes stürzt?
    ANTWORT: Für die Verkehrsflächen, die den Kunden zur Verfügung gestellt werden, haftet der Betreiber, in diesem Fall der Supermarkt für das gefahrlose Benützen des Parkplatzes. Allerdings ist auch hier, wie Jesenitschnig zu bedenken gibt, ein Mitverschulden des Kunden nicht auszuschließen, wenn er gefährliche Stellen erkennen hätte können, z. B. Bodensenkungen, in denen sich Eis bildet. Ein kleiner Umweg ist hier zumutbar.

  5. Wie ist das mit einem Unfall auf einem Parkplatz einer großen Wohnanlage? Macht es einen Unterschied, ob ich dort wohnhaft bin oder „nur“ Besucher?
    ANTWORT:
    "Nein, kein Unterschied", sagt der Experte. Der Parkplatz sei als Verkehrsfläche vom Eigentümer oder Verwalter zu räumen und zu streuen. Gibt es keinen Hausmeister, wie auch beim Supermarkt, werden dazu externe Firmen beauftragt, die natürlich nicht ständig anwesend sind, sondern in wiederkehrenden Abständen diese Verpflichtung ausführen. Jesenitschnig: "Zwischen Wohnungsmietern und Wohnungseigentümern ist haftungsrechtlich kein Unterschied. Bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Parkflächen und Zugängen zum Haus haben Wohnungsmieter Schadenersatzanspruch gegenüber dem Vermieter, Wohnungseigentümer gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft, sofern sie nicht selbst für diesen Bereich zuständig sind.

  6. Was ist bei öffentlichen Straßen zu beachten, etwa bei einem Sturz beim Queren einer eisigen öffentlichen Straße?ANTWORT: "Wege, dazu zählen auch öffentliche Straßen, unterliegen einer besonderen Haftung, geregelt im ABGB § 1319a", sagt der Experte dazu. Danach würden Wegehalter (egal ob Private oder Gemeinde/Land/Bund) nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haften. "Deshalb ist geraten, beim Benützen bezeihungsweise Queren von öffentlichen Straßen bei Gefahr von Eisglätte besondere Vorsicht walten zu lassen, was man eigentlich ohnehin immer tun sollte."
  7. Wie verhält man sich, egal wo der Unfall letztlich passiert, im Hinblick auf die Meldung? Beim Sturz vor einem Privathaus weiß ich ja nicht, wer der Eigentümer bzw. Verwalter bzw. Hausreinigungsdienst ist. 
    ANTWORT: Bei Verletzungen und möglichem Fremdverschulden ist die örtlich zuständige Polizei zu verständigen. "Empfehlenswert ist die eindeutige Feststellung, wo sich der Unfall ereignet hat, um später eventuelle Versäumnisse dem ,richtigen' Grundstückseigentümer zuzuordnen zu können", lautet der Experten-Rat. Je länger der zeitliche Abstand zwischen dem Unfallereignis und der Meldung (Anspruchserhebung) an den Grundstückseigentümer ist, desto schwieriger ist die Beweisführung für den Geschädigten.
  8. Wenn man stürzt und das Verschulden geklärt ist, also nicht der Verunfallte selbst die Schuld trägt, und es wird beispielsweise nur der Mantel dreckig oder zerrissen, gibt es dann auch dafür schon Schadenersatz?
    ANTWORT: Schadenersatzanspruch besteht grundsätzlich für Sach- und Personenschäden, gegebenenfalls auch Verdienstentgang, der auf eine Verletzung zurückzuführen ist. Somit auch für den beim Sturz beschädigten oder verunreinigten Mantel. "Bei Beschädigung hat man Anspruch auf die Reparatur der beschädigten Sache bis maximal zur Höhe des Zeitwertes. Ein zerrissener Mantel wird also zum Zeitwert ersetzt", betont Jesenitschnig.
  9. Gibt es in Bezug auf Schadenersatz im gegenständlichen Zusammenhang eine Art „Bagatellgrenze“? Also dass man erst Schäden ab einer bestimmten Summe geltend machen kann?
    ANTWORT: "Nein, nach dem allgemeinen Schadenersatzrecht  - geregelt im ABGB - gibt es keine Bagatellgrenze", erklärt der Experte.