Unsere Leserin musste unlängst die Wohnung ihrer leider verstorbenen Eltern räumen. „Dabei habe ich ein Sparbuch gefunden, in dem mit Stand vom 5. Mai 1986 ein Betrag von 1094,89 Schilling ausgewiesen ist“, erzählt sie von ihrem überraschenden Fund. „Dieses Bankunternehmen gibt es aber schon lange nicht mehr“, fügt sie hinzu und möchte wissen, ob es trotzdem noch eine Möglichkeit gibt, das Geld beheben zu können. „Was sagt das Gesetz dazu?“

Wir haben den Klagenfurter Rechtsanwalt Franz-Xaver Moser um seine Expertise in dieser Angelegenheit gebeten. Er sagt: „In Österreich verjähren Forderungen, und dazu zählen auch Sparbücher, grundsätzlich nach 30 Jahren.“ Die Verjährungsfrist beginne mit jeder Zinsgutschrift im Sparbuch zu laufen und werde auch durch jede Einzahlung beziehungsweise Auszahlung immer neu ausgelöst.
Wenn hingegen über 30 Jahre keine Ein- und Auszahlungen vom Sparbuch erfolgen und keine Zinsgutschriften – bei Vorlage des Sparbuchs in der Bankfiliale – verbucht werden, kann sich die Bank, wie der Anwalt betont, darauf berufen, dass das Sparguthaben des Kunden verjährt ist. „Die Forderung des Kunden wird damit zu einer Naturalobligation. Das bedeutet, dass sie nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden kann.“

Banken haben durch die Ausbuchung solcherart verjährter Sparguthaben klarerweise Erträge, allerdings ohne diese konkret anzustreben. Moser: „Die Finanzverwaltung hat bei Prüfungen der Banken in der Vergangenheit die gewinnerhöhende Ausbuchungdieser verjährten Sparguthaben verlangt, weil der damit erhöhte Gewinn der Bank auch zu versteuern ist. In diesen Finanzverwaltungsverfahren haben sich die jeweils betroffenen Banken gegen diese Vorgangsweise gewehrt und argumentiert, dass die verjährten Sparguthaben nicht auszubuchen seien, weil dies gravierende negative Auswirkungen auf das Ansehen der Bank und die ganze Branche hätte. Das Ergebnis: Die Banken müssen verjährte Sparbucheinlagen unabhängig davon ausbuchen, ob sie sich im Einzelfall auf die Verjährung stützen oder nicht. Erfahrungsgemäß werden 99 Prozent der Beträge ohnehin nicht mehr geltend gemacht.“

Aber wie kommt es nun überhaupt zu diesen „vergessenen“ Sparbüchern? Meist liegt es wohl daran, dass Sparbücher gern versteckt werden, so geschehen auch im Falle unserer Leserin. Wenn das Sparbuch nicht mehr gefunden wird und der Sparbuchinhaber stirbt oder das Sparbuch vergisst, weiß nur mehr die Bank vom Sparbuch.
„Bei Ableben des Sparbuchinhabers werden von der Bank die auf den verstorbenen Kunden lautenden Konten und Sparguthaben an den Gerichtskommissär beziehungsweise Notar gemeldet“, erklärt der Rechtsanwalt. Aufgrund des österreichischen Bankgeheimnisses dürfe die Bank aber nur die Werte melden, von denen sie weiß, dass sie dem Verstorbenen zuzurechnen waren. Für alte anonyme Sparbücher bedeutet das: „Wenn sich die Sparbuchinhaber bei der Bank nie mehr ,legitimiert’ haben, weiß die Bank gar nicht, wem diese Sparbücher gehören. Die Bank kann diese Sparguthaben daher also nur bekannt geben, wenn ihr die Sparbücher vorgelegt werden.“

Auch heute noch gibt es die Möglichkeit (für Beträge unter 15.000 Euro) sogenannte „Losungswort-Sparbücher“ zu eröffnen. „Diese Sparbücher können durch Übergabe des Sparbuchs und Bekanntgabe des Losungswortes verschenkt werden, sodass die Bank wiederum nicht weiß, ob der ursprüngliche Eröffner des Sparbuches noch immer der Sparbuchinhaber ist. Ohne Vorlage des Sparbuches wird die Bank aufgrund des Bankgeheimnisses daher auch zu diesen Sparbüchern keine Auskunft erteilen“, gibt der Rechtsanwalt zu bedenken.

Die Suche nach dem Rechtsnachfolger

Da sich die Bankenlandschaft in der Vergangenheit hauptsächlich durch Verschmelzungen verändert hat, ist freilich auch zu fragen, wer der Rechtsnachfolger der auf dem Sparbuch ausgewiesenen Bank ist.
Das Sparbuch, das unsere Leserin fand, wurde ursprünglich von der Österreichischen Länderbank eröffnet, die (nach mehreren Verschmelzungen seit 1991) letztlich in die UniCredit Bank Austria AG überging. „Diese Bank hat die Spareinlage auch auszuzahlen, solange noch keine Verjährung eingetreten ist,“ erklärt Franz-Xaver Moser. Im konkreten Fall liegt der letzte Eintrag im Sparbuch freilich mehr als 30 Jahre zurück, woraus sich rein rechtlich eine Verjährung ergibt. Soweit die schlechte Nachricht für unsere Leserin.
Die gute Nachricht lautet: „Auch wenn Sparguthaben verjährt sind, kann durchaus versucht werden, auf dem Kulanzwege eine Auszahlung von der Bank zu erlangen“, sagt Moser. Die Chancen auf Erfolg stehen aus den bereits erwähnten Überlegungen zu Ansehen und Ruf von Banken wohl ganz gut.
Moser hat aber auch noch einen ganz generellen Rat für Sparbuchinhaber: „Legen Sie Ihr Sparbuch in regelmäßigen Zeitabständen – zumindest in Abständen von weniger als 30 Jahren – in der Bankfiliale zur Verbuchung der Zinsgutschriften vor, um eine Verjährung zu vermeiden.“