Die Coronakrise sorgt nicht nur für einen Babyboom, sondern auch für einen Anstieg der Scheidungszahlen. Während die neuen Zahlen der Statistik Austria 2019 eine für die Steiermark gängige Scheidungsrate von etwa 37,3 Prozent aufzeigen, wird es heuer spannend: 2020 zeichnet sich bereits als Scheidungsjahr aus. „Die Anfragen haben deutlich zugenommen“, schildert Clemens Gärner, Partner der Familienrechtskanzlei Gärner Perl Rechtsanwälte mit Sprechstelle in Graz, die Situation. Gemeinsam mit seiner Kanzleipartnerin Susanna Perl betreut er jährlich etwa 100 Fälle. „Der Sommer ist eine an sich sehr starke Zeit für Scheidungen. Wir haben diesen Sommer aber einen Anstieg der Scheidungsrate um noch mal 30 Prozent registriert.“

„Die Scheidungsberatungen steigen“, heißt es auch von der Kärntner Anwaltskammer. „Ich habe deutlich mehr Anfragen als sonst“, sagt Rechtsanwältin Elisa Florina Ozegovic aus Feldkirchen. Bei ihr wurden vor allem Paare vorstellig, die schon vor dem Lockdown getrennt waren oder über eine Trennung nachgedacht haben. „Sie haben die viele Freizeit in der Coronakrise genützt, um die Scheidung zu fixieren und sozusagen amtlich zu machen“, meint Ozegovic. Seit Mai nehmen die Beratungen stetig zu. „Ich glaube, dass noch einiges kommen wird. Denn jene Paare, bei denen es in der Coronazeit zu kriseln begonnen hat, suchen erst in nächster Zeit eine Kanzlei auf.“

Soziale Isolation ließ Affären auffliegen

Gärner schätzt, dass 80 Prozent der Ehen am Fremdgehen scheitern. „Wie sich gezeigt hat, fliegen Affären während der gemeinsamen sozialen Isolation schnell auf. Denn heute sind viele Beweise digital – beispielsweise Fotos am Handy oder WhatsApp-Botschaften. Während der Corona-Zeit ist so mancher unvorsichtig geworden, ist praktisch unter den Augen des Partners fremdgegangen und hat dann das eigene Handy unversperrt herumliegenlassen“, analysiert Gärner.

Verschärfung während des Sommers

Aufgrund der Sommerurlaubszeit haben sich die Anzahl der Scheidungsanträge noch einmal verschärft. „Anstatt wegzufahren, verbrachten heuer zum zweiten Mal viele Menschen die Zeit gemeinsam zuhause. Die, die weggefahren sind, hatten zum Teil sehr viel Stress an den Grenzen. Dadurch wird so manche Beziehung abermals belastet“, sagt der Experte.

Keine Babyelefanten im Richterzimmer

Das gestiegene Scheidungsvolumen trifft auf Gerichte, die noch den Rückstau an Fällen bewältigen müssen und zudem nur beschränkten Platz bieten können. „Verhandlungstermine für strittige Scheidungen gibt es im besten Fall erst im November, wahrscheinlicher ist nächstes Jahr“, sagt Gärner. Einvernehmliche Scheidungen gehen in aller Regel schneller, da hilft es, wenn der Anwalt viel im Familienrecht tätig ist und guten Kontakt zu den Richtern hat. „Die örtliche Situation ist beschränkt. Früher fanden viele Termine in den Richterzimmern statt, doch dort gehen sich leider keine Babyelefanten aus.“ Gärner empfiehlt, bei Scheidungsplänen möglichst bald rechtlichen Beistand zu suchen, um den Prozess in Gang zu setzen. „Aufgrund der Wartezeiten vor Gericht muss man damit rechnen, dass sich auch die eigene Scheidung verzögert.“

Bloß nicht sofort ausziehen!

Juristische Beratung bei einer geplanten Scheidung, hilft auch, gravierende Fehler zu vermeiden: Die Rechtsanwältin Susanna Perl sagt dazu: „Frauen tendieren dazu, gleich einmal aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen und meinen, sie könnten auch die Kinder sofort mitnehmen“, sagt Perl und rät davon dringend ab. Nicht nur die wirtschaftlichen Folgen könnten für die Frauen fatal sein: „Das Gericht legt den hauptsächlichen Aufenthalt der Kinder im Streitfall nicht mehr automatisch bei der Mutter fest“, warnt Perl und fügt hinzu: „Wenn Frauen unbedingt gleich ausziehen möchten, stelle ich zuerst bei Gericht einen Antrag auf Festlegung des hauptsächlichen Aufenthalts bei der Mutter. Gleichzeitig wird klargestellt, dass die Mutter die Hauptbezugsperson für die Kinder ist und eine gute Beziehung zu ihnen hat.“