Der Pensionsantritt unserer Leserin fiel mitten in die Coronakrise. Über die erste Verständigung zur Auszahlung ihrer Abfertigung war sie noch sehr erfreut. Eine Woche später kam dann aber die Enttäuschung: „Im zweiten Schreiben der Vorsorgekasse hatte ich plötzlich um 580 Euro weniger Abfertigung“, erzählt sie. Auf ihre Nachfrage habe man nur gemeint, in der gegenwärtigen Krise sei mit Einbrüchen bei der Veranlagung zu rechnen. „Muss ich mich damit abfinden, ein Corona-Opfer zu sein?,“ will sie wissen.

Wir haben den Arbeitsrechtsexperten Werner Anzenberger von der Arbeiterkammer Steiermark um Aufklärung gebeten. Leider hat er keine guten Nachrichten für unsere Leserin: „Die Reduktion des Guthabens war rechtmäßig, weil eine Sicherung der einbezahlten Beiträge nur bis zur Mindestbeitragsgrundlage von 1,53 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts gegeben ist. Die Gewinne, die aus der Veranlagungstätigkeit der Mitarbeitervorsorgekassen entstanden sind, sind folglich nur bis zur Höhe dieser Beiträge gesichert“, sagt der Jurist und ergänzt: „Die Arbeiterkammer fordert schon seit längerem eine Erhöhung des Beitrages zur Mitarbeitervorsorgekasse auf zumindest 2,5 Prozent, eine Senkung der Verwaltungskosten und eine gesetzliche Verankerung, dass auf vorangegangene Erträge kein Zugriff aufgrund schlechter Veranlagungsergebnisse erfolgen darf.“

So wird in Österreich "abgefertigt"

Derzeit ist die Rechtslage beim neuen Abfertigungssystem, das seit 2003 gilt und für den Großteil der Erwerbstätigen relevant ist, folgende: Gemäß betrieblichem Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) hat der Arbeitgeber für jeden Mitarbeiter monatlich einen Mindestbeitrag von 1,53 Prozent des Bruttoentgelts (sowie allfälliger Sonderzahlungen) gemeinsam mit dem Sozialversicherungsbeitrag an die zuständige Krankenkasse zu überweisen. Diese leitet den Betrag an eine der acht betrieblichen Vorsorgekassen weiter. „Gemäß BMSVG haben Anwartschaftsberechtigte die Möglichkeit, sich über die grundsätzliche Veranlagungsstrategie und die gehaltenen Veranlagungen zu informieren“, sagt Anzenberger. Die Veranlagungsvorschriften seien in Paragraf 30 des BMSVG geregelt. Demnach dürfen betriebliche Vorsorgekassen ihre Geschäfte nur im Interesse der Anwartschaftsberechtigten führen und hätten hierbei insbesondere auf Sicherheit, Rentabilität und auf den Bedarf an liquiden Mitteln sowie auf eine angemessene Mischung und Streuung der Vermögenswerte Bedacht zu nehmen“, erklärt der Jurist. Im BMSVG seien auch jene Veranlagungsformen genannt, die Vorsorgekassen erlaubt sind. „Da auf dem Kapitalmarkt aber laufend neue Produkte entwickelt werden, ist das keine vollständige Liste.“

Jetzt stellt sich freilich die Frage nach einer Kapitalgarantie. Man könnte annehmen, dass es eine solche für die Abfertigungsbeiträge gibt, die der Dienstgeber für einen Arbeitnehmer einzahlt. „Die Vorsorgekassen dürfen davon aber Verwaltungskosten berechnen, die zwischen 1 und 3,5 Prozent der Abfertigungsbeiträge betragen“, sagt Anzenberger. Hinzu könnten noch Abzüge für Barauslagen und Ähnliches kommen. Kleiner Nachsatz: „Seit der Einführung im Jahr 2003 wurde der Abfertigungsbetrag in Höhe von 1,53 Prozent des Entgelts nie angepasst.“

Tatsächlich wurden von den Vorsorgekassen in den vergangenen Jahren schlechte Veranlagungsergebnisse erzielt. „Bei negativen Veranlagungsergebnissen kann es durchaus passieren, dass der als Abfertigung ausgezahlte Betrag letztlich unter der Summe liegt, die der Arbeitgeber im Laufe der Zeit für seinen Arbeitnehmer einbezahlt hat.“

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