Gemäß den Ankündigungen der Regierung sollten Berufstätige, die Covid-Risikogruppen angehören, entweder im Homeoffice arbeiten dürfen oder - wenn das nicht möglich ist -  verpflichtend von der Arbeit freigestellt werden. "Mit 5. April 2020 ist allerdings das COVID-Gesetzespaket in Kraft getreten, das unter anderem vorsieht, dass Personen, die zur Covid-Risikogruppe zählen (etwa Personen mit relevanten Vorerkrankungen) und in einer kritischen Infrastruktur tätig sind, kein Anrecht auf Dienstfreistellung oder Homeoffice hätten", fasst der Arbeitsrecht-Experte Werner Anzenberger die Situation zusammen. Zur kritischen Infrastruktur zählen, wie bestens bekannt, die Versorgung mit Lebensmitteln, Verkehrs-, Sozial-, Gesundheits- und Pflegedienstleistungen sowie die staatliche Hoheitsverwaltung.

"Die Arbeiterkammern, die Gewerkschaft und renommierte Verfassungsexperten wie Heinz Mayer stufen eine derartige Regelung als verfassungswidrig und unverhältnismäßig ein, wonach zur Covid-19-Risikogruppe zählende Personen wie etwa ältere Menschen sowie jene mit relevanten Vorerkrankungen kein Recht auf Homeoffice oder Freistellung haben, wenn sie in der kritischen Infrastruktur tätig sind", sagt er klar und deutlich. Nach dem derzeitigen Recht sollten die betroffenen Personen ein Schreiben vom Sozialversicherungsträger erhalten, um sich danach vom Arzt eine entsprechende Bestätigung ausstellen lassen zu können. "Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber müsste sie dann unter Entgeltfortzahlungspflicht freistellen, es sei denn, am Arbeitsplatz kann mit entsprechenden Maßnahmen eine weitestgehende Sicherheit gewährleistet werden. Welche Maßnahmen dies im konkreten sein sollen, ist unklar."

Urlaub und Zeitausgleich statt Freistellung

In der Praxis funktioniert dies aber nicht, wie Anzenberger. "Arbeitnehmer haben bislang weder ein Schreiben noch andere Informationen von den Sozialversicherungsträgern erhalten. Etwaige medizinische Atteste ohne ein Schreiben des Sozialversicherungsträgers werden von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern nicht akzeptiert. Und aktuell ist noch immer unklar, welche Patientengruppen davon betroffen sind und ab wann und auf welche Weise diese Maßnahmen konkret umgesetzt werden." Die betroffenen Arbeitnehmer müssten derzeit Urlaub oder Zeitausgleich in Anspruch nehmen.

Anzenbergers Resümee: "Die Regierung ist trotz nunmehr wochenlanger Ankündigung zu diesem Thema noch immer säumig, eine praktikable Rechtslage zu schaffen. Die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wenden sich tagtäglich verzweifelt an die Arbeiterkammern und Gewerkschaften." Arbeiterkammern und Gewerkschaften würden daher eine sofortige Definition der Risikogruppen fordern. Betroffene, die zur kritischen Infrastruktur gehören, hätten ein Recht auf Home Office oder Freistellung.

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