Grundsätzlich gilt gemäß Fluggastrechteverordnung 261/2004 der EU: Wenn der gebuchte Flug vonseiten der Fluglinie annulliert wird, hat der betroffene Kunde die Wahl zwischen der vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten oder einer alternativen Beförderung zum Endziel. Der Erhalt eines Wertgutscheins ist in der Fluggastrechteverordnung nicht geregelt. Fluglinien dürfen Wertgutscheine nur dann ausstellen, wenn der betroffene Kunde die Annahme eines Wertgutscheins freiwillig akzeptiert. „Derzeit gibt es aber in Ländern wie Frankreich, Italien oder Belgien nationale Regelungen, die es Fluglinien erlauben, statt Geldrückzahlungen Gutscheine auszustellen, die für spätere Leistungen genutzt werden sollen“, sagt die Juristin Barbara Forster vom europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) Österreich und erklärt: „Das ist unserer Ansicht nach ein Verstoß gegen EU-Recht.“ Die Absicht hinter dieser Entwicklung ist freilich auch klar: Von politischer Seite möchte man das Risiko einer im Raum stehenden Pleitewelle im Tourismus verringern. Fluglinien und Reiseveranstalter sollen zahlungsfähig bleiben, bis sich die Lage wieder beruhigt.

Für den Kunden ergeben sich durch Gutscheine drei Nachteile:

  1. Der Gutschein ist nicht auf andere Fluglinien übertragbar. Die Flexibilität bei der künftigen Reiseplanung ist somit eingeschränkt.
  2. Preise werden aufgrund der Krise wohl steigen. Man bekommt für die bezahlte Summe später eventuell keine gleichwertige Leistung.
  3. Die Gefahr bei Insolvenz des Unternehmens einen wertlosen Gutschein in Händen zu halten. Bis dato ist beim EVZ nicht bekannt, dass die von Fluglinien ausgegebenen Gutscheine insolvenzabgesichert sind.
Das EVZ stellt diesen Musterbrief für betroffene Kunden zur Verfügung, die für einen abgesagten Flug keinen Gutschein akzeptieren möchten
Das EVZ stellt diesen Musterbrief für betroffene Kunden zur Verfügung, die für einen abgesagten Flug keinen Gutschein akzeptieren möchten © Europäisches Verbraucherzentrum

Auch bei Pauschalreise-Anbietern, die ihren Kunden Gutscheine für abgesagte Reisen anbieten, ist die Situation aus Sicht der Konsumentenschützer ungünstig: Pauschalreiseanbieter sind nämlich gesetzlich verpflichtet, bezahlte Kundengelder gegen die eigene Insolvenz abzusichern.  „Wenn Sie für eine gebuchte Pauschalreise die Reisekosten bezahlt haben und der Reiseveranstalter nach der Zahlung insolvent wird, müssen Sie die bezahlten Reisekosten zur Gänze zurückbekommen. Diese Regelung der Insolvenzabsicherung gilt für die gesamte Europäische Union. Die Pauschalreiserichtlinie, die in den jeweiligen europäischen Mitgliedsstaaten umgesetzt wurde, sieht Wertgutscheine nicht vor. Es ist daher fraglich, ob die Ausstellung von Wertgutscheinen bei Pauschalreisen erlaubt ist. Wir sind der Ansicht, dass Sie auch bei Pauschalreisen keine Wertgutscheine akzeptieren müssen, vor allem wenn die Gutscheine nicht gegen eine Insolvenz des Pauschalreiseanbieters abgesichert sind", erklärt Forster.

Musterbrief des EVZ für alle, die von einem Pauschalreiseveranstalter die bezahlten Reisekosten in bar statt in Form eines Wertgutscheins zurückbekommen möchten
Musterbrief des EVZ für alle, die von einem Pauschalreiseveranstalter die bezahlten Reisekosten in bar statt in Form eines Wertgutscheins zurückbekommen möchten © EVZ

Ein Segment, in dem nationale Sonderregelungen allerdings zweifellos möglich sind, sind allerdings die Stornobedingungen bei Konzerten oder Sportveranstaltungen oder reinen Hotelbuchungen. Grundsätzlich kann laut Forster gesagt werden: Wenn ein Hotel coronabedingt im gebuchten Reisezeitraum geschlossen hat, gibt es fast immer das Geld zurück. Hat ein Hotel aber geöffnet und es gibt lediglich keine Einreisemöglichkeit, weil es etwa gar keinen Hinflug mehr gibt oder rund um den Aufenthaltsort ist alles geschlossen, hängt es rein vom nationalen Recht ab, ob man kostenlos stornieren kann. Man könne zwar versuchen, mit einem Wegfall der Geschäftsgrundlage zu argumentieren, was dabei herauskommt, müssten letztlich im Ernstfall aber die Gerichte entscheiden. Zur Gänze juristisches Neuland ist auch die Frage, welche Rechte man hat, wenn man eine gebuchte Reise nicht antreten kann, weil man faktisch durch die Ausgangsbeschränkungen gar nicht zum Flughafen fahren darf. „Die Kosten dafür einem Unternehmen im Ausland umzuhängen, wird schwierig werden“, sagt Forster. Mit all dem müssen sich wohl noch Gerichte befassen.