Die Aromen im Wein sind komplex - etwa 500 hat man bislang erfasst. Im Rachenraum verdichten sich die Aromastoffe, deshalb wird beim Verkosten zunächst tief eingeatmet.

Das Positive vorweg: "Den Geschmackssinn kann man schärfen", sagt Weinfachmann Arno Bergler. Und dann: noch mehr Positives. Denn woher die Aromen im Wein kommen, lässt sich auch gut erklären, ohne mit den Fachbegriffen Primär-, Sekundär- und Tertiäraromen jonglieren zu müssen. Antworten vom Experten:

Welche Aromen können den Geschmack des Weins beeinflussen?

ARNO BERGLER: Ich unterteile in traubeneigene, Gärungs- und Reifearomen. Zunächst ist alles eine Frage der Herkunft.

Terroir ist ein vielbemühtes Wort - welche Rolle spielt die Herkunft beim Wein?

BERGLER: Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem Burgenländer Winzer, der mit einem steirischen ein Fass mit Sauvignon-Most getauscht hat. Jeder hat den "hausfremden" Wein nach eigener Philosophie verarbeitet - und trotzdem hat am Ende der Steirer im burgenländischen Keller nach Steirer geschmeckt und umgekehrt. Die Herkunft prägt also den Geschmack. Dazu gehört natürlich mehr als nur der Boden.

Arno Bergler leitet Sensorik-Workshops
Arno Bergler leitet Sensorik-Workshops © weinerleben.at

Was darf man sich nun unter traubeneigenen Aromen vorstellen?

BERGLER: Wie ein Seismograf die Erdschwingungen registriert, speichert die Traube jeden Einfluss - Witterungsverlauf, Boden, Arbeitsweise ... Dann wird geerntet, gerebelt und gedrückt. Die dabei entstehende Maische muss gebeizt, also stehen gelassen werden, wie die alten Weinbauern gesagt haben. Erst in der Maischestandzeit werden Aromen freigesetzt und man kann sie erstmals riechen.

Was passiert dann während der Gärung?

BERGLER: Kein Sauvignon schmeckt von Haus aus nach Mango, Maracuja, Ananas. Es macht einen großen Unterschied, ob der Weinbauer nur mit traubeneigener Hefe spontan vergärt oder Hefe zusetzt. Sie intensiviert die Aromen. Für die Vergärung mit der traubeneigenen Hefe braucht es einen intakten Weingarten. Es wird langsame Aromen geben, die nicht so üppig daherkommen, aber für mich persönlich interessanter sind.

Wie schmeckt dieser Rohwein?

BERGLER: Eckig und kantig. Er erinnert noch nicht an Wein, wie wir ihn kennen. Erst dann kommt die Erziehung des Weins, der Ausbau, die Reifung. Die kann in einem Stahltank passieren, damit fixiert man knackige frische Aromen. Möchte man aber tiefer liegende zutage fördern, muss der Wein ins Fass und braucht Zeit.

Taugt jeder Wein zur Fassreife?

BERGLER: Nein, Voraussetzung ist immer, dass die Traube die Reife in sich trägt. Der Wein atmet im Fass, es findet eine sogenannte Mikrooxidation statt. Harte Aromen werden weich, Aromenmolekülketten werden komplexer.

Wenn die Fässer vorher getoastet, also ausgebrannt werden ...?

BERGLER: Dann kommen zusätzliche Röstaromen in den Wein. Vanillin zum Beispiel. Kaffee, Kakao, Schokolade - eine Anreicherung von Aromen findet statt.

Macht ein Dreh- oder Glasverschluss der Aromenentwicklung ein jähes Ende?

BERGLER: Nein, Wein hört nie auf, sich zu entwickeln. Es kommt zwar kein Sauerstoff von außen dazu, aber es ist genug im Wein gelöst, um einen - langsamen - Oxidationsprozess aufrechtzuerhalten. Viele Leute haben Angst vor Altweinaromen - müde, oxidiert - und öffnen die Flaschen vor ihrer Zeit. Viele der gesuchten Reifenoten kommen erst mit der Flaschenreife - Tabak, Waldboden, Trüffel, Lakritze. Bei den besten Rotweinen der Welt kann es Jahrzehnte dauern, bis es so weit ist.