Neun Monate warten und dann ist es endlich so weit: Der Nachwuchs ist da. Dass den frisch gebackenen Eltern nicht alles von Anfang an von der Hand geht, ist klar. Immerhin brauchen Baby und Eltern Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen. Doch für manche Eltern sind die ersten Wochen noch herausfordernder: Denn was tun, wenn das Kind mehrmals am Tag laut schreit und sich nicht beruhigen lässt?

Nicht ungewöhnlich

Dieses Phänomen ist längst keine Seltenheit: Zehn bis zwölf Prozent aller Säuglinge sind sogenannte Schreibabys. Von einem Schreibaby spricht man dann, wenn ein Säugling mindestens drei Stunden innerhalb von 24 Stunden an drei oder mehr Tagen pro Woche schreit – und das über drei Wochen hinweg oder länger. Christine Sonn-Rankl ist klinische Psychologin und Psychotherapeutin. Sie hat die Schreiambulanz am Wilheminenspital (heute Klinik Ottakring) mitbegründet: „Wenn man die Frage stellt, wann ein Baby ein Schreibaby ist, gibt es natürlich diese objektive Einordnung. In der Betreuung der Eltern ist uns egal, ob Zahlen erfüllt sind. Es zählt der Grad der Überforderung der Eltern.“ Und diese sei in einem solchen Fall ganz normal und verständlich.

Vor allem belastend für viele Eltern ist die Schuldfrage. Die Antwort der Expertin ist simpel: „Es ist nicht die Schuld der Eltern. Diese Kinder bringen das mit.“ Denn das ständige Schreien und die Tatsache, dass sich diese Kinder nicht beruhigen lassen, hat einen Grund: Diese Säuglinge können kaum abschalten. Sie überladen sich mit Reizen und können sich nur schwer selbst regulieren.

Bis zur totalen Erschöpfung

„Das führt irgendwann zur totalen Erschöpfung des Kindes. Es wird nicht langsam müde, sondern kippt von einer Minute auf die andere. Das Gemeine ist: Beginnt der Säugling erst einmal zu schreien, lässt er sich durch nichts mehr beruhigen“, sagt Sonn-Rankl. Akut kann man also sehr wenig machen. Wichtig sei es daher, es gar nicht erst zum Schreikoller kommen zu lassen. Dafür gibt es einfache Strategien.

Die Expertin rät, auf die 1,5 Stunden-Regel zu setzen. Diese besagt, dass Babys in den ersten 12 Lebenswochen tagsüber nicht zulange wach sein dürfen. Ist ein Säugling eineinhalb Stunden munter, muss er schlafen, um sich zu erholen: „Man kann das Kind dann zum Beispiel in ein Tragetuch legen und mit ihm spazieren gehen.“

Hilfe annehmen und einfordern

Zentral für Eltern sei auch, zu wissen, dass man das nicht alleine bewältigen muss: „In den ersten Wochen brauchen alle Eltern Hilfe. Das ist ganz normal. Man benötigt jemanden der kocht, zusammenräumt und mit dem Kind spazieren geht“, sagt die Psychologin. Vor allem Eltern von Schreibabys sollten sich Ruhephasen gönnen, um nicht in die Überforderung zu kommen.


Neben dem Schlaf ist es auch wichtig, beim Füttern einen Rhythmus zu entwickeln: „Hat ein Kind gegessen, sollte man mindestens eineinhalb Stunden warten, bis man es wieder füttert“, so die Expertin. Helfen kann außerdem ein Schnuller, denn Säuglinge beruhigen sich selbst stark über das Saugen.

Ablaufdatum 

Kommt es doch zur akuten Überforderung der Eltern, weil der Nachwuchs sich nicht beruhigt, dürfe man sich nicht scheuen, auch Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen: „Wenn man das Gefühl hat, man hält es keinen Tag länger aus, werden Kinder auch im Spital aufgenommen, sodass Eltern die Möglichkeit haben, runterzukommen“, sagt die Sonn-Rankl. So gut wie immer lasse sich das Phänomen aber über den regulierten Tagesschlaf schnell in den Griff bekommen. Und: Das Schreien hat ein Ablaufdatum. Mit drei Monaten legt sich die Problematik in den meisten Fällen.

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