Aus der Bahn geworfen. Das schreibt sich sehr einfach. Phrasen dieser Art rutschen ohne Mühe zwischen den Lippen hervor. Doch ohne Mühe geht Katharina Kampl kaum etwas von der Hand. Eine Infektion mit Covid-19 hat die 16-Jährige im Februar über Nacht ereilt. Die Erkrankung hat sie Anfang Februar – sprichwörtlich – aus der Bahn geworfen. Etwa einen Monat lag sie krank im Bett. Ihre Ausbildung zur Masseurin und Heilbademeisterin musste sie abbrechen. Freunde kamen nicht vorbei, um sie für Ausflüge abzuholen, sondern um mit ihr im Garten ein paar Schritte zu gehen. Zu mehr war die sportbegeisterte Oberösterreicherin nicht fähig.

Schwerer Verlauf

„Von einem Tag auf den anderen war ich komplett k.o.“, erzählt Katharina. Kopf- und Gliederschmerzen, Geschmacks- sowie Geruchsverlust, hohes Fieber und Kreislaufprobleme – all das sehr typische Covid-19-Symptome. Weniger typisch war der Verlauf bei Katharina. Denn wenn Kinder und Jugendliche sich mit dem Coronavirus infizieren, ist der Krankheitsverlauf meist nicht stark. Doch Katharina verlor massiv an Gewicht, ebenso an Kraft, erholte sich nur langsam.


Die zaghafte Genesung wurde dann auch noch durch einen Pferdetritt jäh unterbrochen. Nelli, Katharinas junge Norikerstute erschreckte, schlug aus und erwischte sie so stark, dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste. Ebenda wurde sie durchgecheckt, der behandelnde Arzt riet zu einer Reha. Diese trat sie am 15. April an. „Bei Katharina dürfte es sich eher um Long Covid als um die Folgen einer akuten Covid-Infektion handeln“, erklärt Evelyn Lechner. Sie ist die ärztliche Direktorin von Kokon, einer Reha-Einrichtung für junge Menschen in Rohrbach-Berg in Oberösterreich. „Katharinas Symptome besserten sich nicht, sie verschlechterten sich eher in Richtung Chronifizierung.“

Große Unterschiede von Patient zu Patient 

Die Arbeit mit Covid-Genesenen ist nicht einfach, da das Krankheitsbild so vielschichtig ist. In Rohrbach beschäftigt Covid das Team seit Februar, als das erste Reha-Konzept umgesetzt wurde. „Wir überarbeiten unser Konzept nach allen zwei bis drei Patienten, auch wir lernen mit jedem Fall dazu“, sagt Lechner. Gerade bei Long-Covid-Patienten hat sich das sogenannte Pacing bewährt, „denn diese Patienten dürfen nicht überbelastet werden, sonst verschlechtert sich ihr Zustand“. Pacing bedeutet, erst etwa via Spiroergomethrie, also der Messung der Atemgasse, die Leistungsgrenzen des Patienten auszuloten, und dann ein Training zu erstellen, bei dem diese Grenzen nicht überschritten werden.


Doch die körperlichen Beschwerden sind nur die eine Seite. Auch die psychischen sind gerade bei jungen Patienten enorm. „In der Regel handelt es ich um völlig gesunde Jugendliche. Die lange Dauer der Krankheit, das Gefühl nicht Herr über seinen Körper zu sein, nicht tun zu können, was man gewohnt ist, all das führt zu einem psychischen Einbruch.“ Das bestätigt auch Katharina. Geholfen haben ihr die kleinen Erfolge in der Reha. Etwa als sie merkte, dass sie bei den Wanderrunden nicht mehr alle 100 Meter stehen bleiben musste, um zu Kräften zu kommen. Und in der Lage war, zu tratschen.

Auch psychisch eine Herausforderung 

Dass die Beschwerden, wie von einigen Experten behauptet, bei Long Covid rein psychosomatisch sind, sieht Lechner als nicht bestätigt an. Häufig seien die Beschwerden durch eine anhaltende Gefäßerkrankung erklärbar. Bei manchen Patienten sehe man, dass auch unter Vollbelastung der Blutdruck nicht steigt. „Das ist eine Fehlregelung des Kreislaufs, das lässt sich nicht psychisch erklären“, so Lechner. Und weiter: „Es kommt zu Überlagerungen, Patienten entwickeln auch psychische Beschwerden, weil sie lange mit den Einschränkungen zu kämpfen haben.“


Fünf Wochen Reha haben Katharina geholfen, ihr Ziel ist es, mit ihrem Pferd ausreiten zu können und im Herbst ihre Ausbildung wieder aufnehmen zu können. Allen Betroffenen will sie auf den Weg geben: „Diese Krankheit gibt es, sie ist voll da. Aber es gibt Hilfe und es wird auch wieder besser.“