Die europäische Arzneimittelbehörde hat am Dienstag neueste Daten bezüglich des AstraZeneca-Impfstoffs analysiert und diskutiert. Wie alle weiteren in der EU zugelassenen Covid-Schutzimpfungen werden vor allem die Sicherheitsdaten laufend überprüft. Auf AstraZeneca liegt aber ein besonderes Augenmerk, nachdem ein Zusammenhang zwischen Impfung mit dem britisch-schwedischen Vakzin und seltenen Hirnvenenthrombosen vermutet wurde. 

Nach Äußerungen des Chefs der EMA-Impfabteilung, Marco Cavaleri, über einen Zusammenhang zwischen der Corona-Impfung mit dem Astrazeneca-Vakzin und dem Auftreten von seltenen Blutgerinnseln hat die EU-Arzneimittelbehörde klargestellt, dass sie in der Sache noch keine Entscheidung getroffen hat. Der EMA-Ausschuss für Medikamentensicherheit habe "noch keine Schlussfolgerung gezogen und die Prüfung läuft derzeit weiter", teilte die EU-Behörde am Dienstag mit.

Entscheidung soll am Mittwoch oder Donnerstag vorliegen

Eine Entscheidung werde voraussichtlich am Mittwoch oder Donnerstag bekannt gegeben: Am 7. oder 8. April werde es eine Expertenkonferenz der Behörde zu diesem Thema geben, die derzeit gut 40 Berichten zu Thrombosen nach AZ-Impfungen nachgeht. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides schrieb auf Twitter, am Mittwoch sei mit einer EMA-Bewertung zu rechnen.

Zuvor hatte ein Interview in der italienischen Zeitung "Il Messaggero" mit Cavaleri für Aufsehen gesorgt. Denn der Chef der EMA-Impfabteilung hat in diesem eine Verbindung zwischen der Impfung mit dem Vakzin und dem Auftreten von Blutgerinnseln bei manchen Geimpften gezogen. "Meiner Meinung nach können wir mittlerweile sagen, dass es klar ist, dass es einen Zusammenhang mit dem Impfstoff gibt", sagte er. "Was diese Reaktion auslöst, wissen wir aber noch nicht." Das Nutzen-Risiko-Verhältnis spreche dennoch weiter für den Impfstoff. Astrazeneca war zunächst für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Prüfung noch nicht abgeschlossen

"Unsere Bewertung ist noch lange nicht abgeschlossen", erläuterte Cavaleri. Er erwarte kaum, dass die EMA diese Woche "so weit kommt, wie es verschiedene Länder getan haben, Altersgrenzen festzulegen". Mitte März hatte die EMA, die ihren Sitz in den Niederlanden hat, erklärt, es gebe keine Hinweise, dass die Impfungen die Thrombose-Vorfälle verursacht hätten. Da das aber auch nicht ausgeschlossen sei, liefen Untersuchungen. Auch Ende März hatte sich EMA-Chefin Emer Cooke gegen Beschränkungen ausgesprochen. Eine aktualisierte Empfehlung der EMA sei für die Sitzung ihres Sicherheitsausschusses vom 6. bis 9. April zu erwarten, hieß es da.

"Wir versuchen, ein genaues Bild davon zu erhalten, was passiert", sagte Cavaleri dem "Messagero" zur laufenden Prüfung. Man wolle "auf präzise Weise dieses durch den Impfstoff verursachte Syndrom definieren". Bei jüngeren Menschen, die den Astrazeneca-Impfstoff erhalten hatten, gebe es eine Fallzahl an Hirnthrombosen, die höher sei, "als wir erwarten würden".

Hirnvenenthrombosen: Die Suche nach der Ursache

Bisher hat die EMA den Astrazeneca-Impfstoff als sicher empfohlen und betont, der Nutzen des Vakzins überwiege deutlich mögliche negative Folgen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und den Blutgerinnseln sei "möglich", allerdings gebe es dafür keinen Beweis, hieß es bis jetzt von der EMA. Auch der britisch-schwedische Hersteller betont dies. Der medizinische Mikrobiologe Paul Hunter von der University of East Anglia sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Beweise gingen "eher in die Richtung, dass das Oxford-Astrazeneca-Vakzin durchaus die Ursache ist".

Wichtig zu betonen ist, dass wenig schwerwiegende Impfreaktionen, wie etwa Fieber, Kopf- oder Gliederschmerzen, bis zu zwei, drei Tage nach der Verimpfung bei allen Covid-Schutzimpfungen dokumentiert und auch normal sind.

Die Hirnvenenthrombosen, die im Zusammenhang mit dem AstraZeneca-Vakzin, das in der EU nun den Namen Vaxzevria trägt, genannt werden, treten aber in der Regel einige Tage nach der Impfung auf, zu einem Zeitpunkt, an dem die normalen Impfreaktionen abgeklungen sind. Die Leiterin des nationalen Impfgremiums in Österreich, Ursula Wiedermann-Schmidt, sprach sich in der Karwoche in der "ZiB2" gegen einen Impfstopp in Österreich aus. Es gelte, die Relation zwischen Nutzen und Risiko zu wahren. Die Fälle der Hirnvenenthrombosen würden sehr selten auftreten, zudem könne man sie nun, da man um das Auftreten dieser wisse, diese gut behandeln. 

Wieso aber tritt das Problem der Hirnvenenthrombosen in Zusammenhang mit AstraZeneca vermehrt auf? Diese Frage ist, wie oben erwähnt, noch nicht geklärt und Gegenstand von Untersuchungen. Eine mögliche Erklärung könnte in der Art des Impfstoffes liegen, wie Angiologe Thomas Gary von der Med Uni Graz ausführt. Bei AstraZeneca handelt es sich um einen Vektorimpfstoff. Bei diesem wird ein perfekt nachgebildetes Protein in den Körper injiziert. Dieses ähnelt dem Virus stark. „Wenn wir nun bedenken, dass wir es bei Corona mit einer Erkrankung zu tun haben, die mit einer Thrombosegefährdung einhergeht, könnte man annehmen, dass eine exzellente Nachbildung von Teilen dieses Virus in seltenen Fällen auch eine Thrombose zur Folge hat“, erklärt der Experte.

Auch in Großbritannien laufen Untersuchungen

Auch die britische Arzneimittelbehörde untersucht Fälle von seltenen Blutgerinnseln im Gehirn nach einer Impfung mit AstraZeneca. Das teilte die Medicines and Healthcare Regulatory Agency (MHRA) am Dienstag mit. Zuvor hatte es einen Medienbericht gegeben, wonach die Behörde erwägt, das Präparat nicht mehr für unter 30-Jährige zu empfehlen.

In Großbritannien sind bei mehr als 18 Millionen Impfungen mit AstraZeneca, insgesamt rund 30 Fälle von seltenen Blutgerinnseln gemeldet worden, wie die MHRA vergangene Woche mitteilte.

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