1. Was ist heute schon über Immunität gegen Covid-19 bekannt?

„Generell müssen wir uns vor Augen halten: Wir kennen das Virus noch immer erst sehr kurze Zeit“, sagt Lukas Weseslindtner, Virologe an der Med Uni Wien. „Wir konnten Menschen, die in der ersten Welle erkrankt sind, noch nicht einmal ein Jahr lang beobachten.“ Auch wurde das Infektionsgeschehen in vielen Teilen der Welt zum Glück erfolgreich verlangsamt – auch Antikörperstudien in Österreich zeigen, dass „wir noch am Anfang der Pandemie stehen“, sagt der Experte – der Anteil Genesener in der Bevölkerung ist also noch gering. Daher beruhen viele Annahmen noch auf relativ wenigen Daten – oder auf Rückschlüssen aus Erfahrungen mit jenen Coronaviren, mit denen wir als saisonale Schnupfen-Auslöser schon lange leben.

2. Was ist die Voraussetzung für Immunität gegen das Virus?

Um sich nicht mehr anstecken zu können, braucht es sogenannte neutralisierende Antikörper: Diese verhindern, dass das Virus in den Körper eindringen kann. Um diese Antikörper nachzuweisen, braucht es einen sogenannten Neutralisationstest, sagt Weseslindtner. „Aktuelle Studien zeigen, dass diese Antikörper nicht so schnell abfallen wie befürchtet: Wir gehen davon aus, dass diese etwa sechs bis zwölf Monate erhalten bleiben“, sagt der Experte. Jedoch hängt die Höhe der Antikörper nach der Genesung auch mit der Schwere der Erkrankung zusammen. Hier gilt generell: Je schwerer die Erkrankung, desto höher die Konzentration der Antikörper.

Lukas Weseslindtner, Virologe Med Uni Wien
Lukas Weseslindtner, Virologe Med Uni Wien © kk

3. Ich hatte bereits im Frühjahr Covid-19: Bin ich in der zweiten Welle geschützt?

Um diese Frage zu beantworten, sollte man sich zunächst fragen: Wie schwer war ich krank? „Musste jemand ins Krankenhaus, hat er so viele Antikörper produziert, dass dieser Patient wohl länger immun ist als andere“, sagt Weseslindtner. Hatte man einen moderaten Krankheitsverlauf mit Husten und Fieber, halten die Antikörper wahrscheinlich für sechs bis 12 Monate. „Hier ist es aber wichtig testen zu lassen, ob es sich um neutralisierende Antikörper handelt“, so der Experte. War man allerdings nur ganz milde erkrankt, hatte kaum Symptome, ist unklar, ob ausreichend Antikörper vorhanden sind – „trotzdem kann es ein immunologisches Gedächtnis geben, das schützt“, sagt Weseslindtner (siehe nächste Frage). Was man jedenfalls nicht tun sollte: Man war bereits im April erkrankt, bekommt kurz vor Weihnachten wieder typische Symptome und denkt sich: Covid-19 kann es nicht sein und geht die Oma besuchen. „Man muss sich trotzdem testen lassen, denn auch wenn man selbst bei der zweiten Infektion einen nur sehr milden Verlauf hat, kann man trotzdem ansteckend sein“, sagt der Virologe.

4. Wenn keine Antikörper messbar sind – bin ich dann trotz durchgemachter Infektion gar nicht geschützt?

Zunächst hängt ein solches Testergebnis auch von der Qualität des Antikörpertests ab: „Manche Antikörpertests (z.B. bestimmte Schnelltests) haben keine so hohe Sensitivität, können geringere Antikörper-Konzentrationen also nicht mehr messen“, sagt Weseslindtner. Doch Antikörper sind in der Immunantwort längst nicht alles und hier macht eine aktuelle Studie aus Deutschland Hoffnung: Ein Team um Robert Thimme von der Uniklinik Freiburg konnte zeigen, dass Covid-Erkrankte ein immunologisches T-Zell-Gedächtnis ausbilden. „Wir haben Patienten, da sind zwar die Antikörper verschwunden, die T-Zell-Immunantwort bleibt aber erhalten“, sagt Thimme in einem Pressegespräch. „Das ist eine sehr positive Nachricht, da es zeigt: Auch wenn die Antikörper verschwinden, bleiben schützende T-Zellen“, sagt Thimme. Diese Gedächtniszellen schützen zwar nicht vollständig vor der neuerlichen Infektion, mildern aber ihren Verlauf, wie Weseslindtner erklärt. Auch die bisher dokumentierten Reinfektionen – weltweit gibt es davon nur eine Handvoll dokumentierter  Fälle – zeigen in den meisten Fällen, dass die zweite Infektion mild oder asymptomatisch verläuft. „Das einzige Problem: Von den Schnupfen-Coronaviren wissen wir, dass diese Personen selbst  zwar nur milde Symptome haben, aber trotzdem ansteckend sein können.“ Für die Pandemie hieße das: Es kann zu erneuten  Übertragungen auf Personen kommen, die noch nicht immun sind.

5. Was bedeutet das für unser weiteres Leben mit dem Virus?

„Dass wir eine lebenslange Immunität erreichen, ist sehr unwahrscheinlich – das wird auch eine Impfung kaum leisten können“, sagt Weseslindtner – doch es ist wichtig festzuhalten, dass eine Impfung eine andere, eine stärkere Immunantwort auslösen kann als eine natürliche Infektion. Die Erfahrungen mit den Corona-Schnupfenviren zeigen: Diese vier Viren kommen jedes Jahr in der kalten Jahreszeit wieder. „Einen kompletten Schutz werden wir nicht erreichen“, sagt auch Forscher Thimme – SARS-CoV-2 wird ein saisonales Virus bleiben.

6. Welche Bedrohung stellen Mutationen für die Immunität dar? Stichwort Nerz-Mutation.

Eine Mutation von SARS-CoV-2, die in dänischen Nerzfarmen aufgetreten ist, alarmierte Behörden und Experten weltweit. „Ja, dieser Fall zeigt, dass SARS-CoV-2 prinzipiell auch an jenen Stellen mutieren könnte, die sich auf die Immunität auswirken“, sagt Weseslindtner. Dazu müsse man aber auch wissen, dass Nerzfarmen „wie ein Teilchenbeschleuniger für die Virusmutation wirken“, sagt Weseslindtner: Auf engstem Raum stecken sich binnen kürzester Zeit eine große Menge von Tieren an, durch diese rasante Verbreitung treten auch mehr Mutationen auf. „Generell mutieren Coronaviren eher langsam, es ist nicht so wie bei der Influenza, die sich jedes Jahr verändert“, sagt Weseslindtner. Die Möglichkeit, dass es zu Mutationen kommt, die dazu führen, dass Antikörper das Virus nicht mehr neutralisieren, besteht prinzipiell – Mutationsforscher wie Andreas Bergthaler (CeMM) gehen aber davon aus, dass diese Gefahr gering ist.