Langanhaltende Erschöpfung, Atemnot, neurologische Probleme: Von solchen anhaltenden Beschwerden berichten einige Covid-Genesene noch Wochen nach der Erkrankung. Gibt es somit tatsächlich ein Post-Covid-Syndrom? Auf diese Frage ging der Lungenfacharzt und Covid-19-Spezialist Bernd Lamprecht (Kepler Klinikum Linz) bei einer Pressekonferenz ein.

„In Österreich haben sich bis heute 56.000 Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, die meisten davon sind ohne Komplikationen wieder genesen. Nur 5 bis 10 Prozent der Infizierten sind so schwer erkrankt, dass sie ins Spital mussten“, fasst er zusammen. Nun mehrten sich in letzter Zeit die Berichte über mögliche Langzeitfolgen von Covid-19: „Es stellt sich die Frage: Ist Überleben vielleicht nur die erste Etappe in einem langwierigen Heilungsprozess?“, sagt Lamprecht.

Bei Großteil der Spitalspatienten

Um von einem Syndrom sprechen zu können, müssen mehrere Symptome zusammenkommen, die sich eindeutig auf die Covid-19-Erkrankung zurückführen lassen. Die häufigsten Spätfolgen, die bisher beobachtet wurden: anhaltende Erschöpfung (medizinisch: Fatigue), Atemnot und neuropsychologische Symptome. „Je nach Studienpopulation sehen wir solche Symptome bei 35 Prozent der ambulant behandelten COVID-Patienten und bei 87 Prozent jener, die im Spital behandelt werden mussten“, sagt Lamprecht.

Der Experte führt aus, dass es nicht neu ist, dass Patienten, die eine lebensbedrohliche Krankheit durchgemacht haben, noch Monate bis Jahre nach der Genesung mit Einschränkungen zu kämpfen haben. „Schon nach der SARS-Pandemie von 2003 fiel auf, dass manche Betroffene noch Monate nach der Infektion an Fatigue litten und auch nach einer Rehabilitation noch Beschwerden hatten, die damals als chronisches Post-SARS-Syndrom bezeichnet wurden“, sagt Lamprecht. Laut einer Umfrage aus Hongkong unter SARS-1-Genesenen litten nach vier Jahren noch 40 Prozent der Befragten unter Fatigue.

Die Beschwerden ähneln dem chronischen Fatigue-Syndrom, das auch nach schweren Infekten oder Krebserkrankungen auftreten kann: Betroffene leiden unter bleierner Müdigkeit, die sich weder durch Schlaf noch Ruhepausen verbessert. „Vom chronischen Fatigue-Syndrom spricht man, wenn die Beschwerden länger als sechs Monate bestehen“, sagt Lamprecht.

Auch das Gehirn ist betroffen

Störungen im Schlaf-Wach-Rhythmus, ein beeinträchtigtes Konzentrationsvermögen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit: Auch solche psychoneurologischen Beschwerden werden beobachtet. „Es ist schon lange bekannt, dass Menschen, die ein Lungenversagen erleiden, noch Jahre danach an mentalen Gesundheitsproblemen und einer reduzierten Lebensqualität leiden können. Auch Menschen, die einen längeren Zeitraum auf einer Intensivstation verbringen mussten, haben oft noch langanhaltende kognitive, psychologische und physische Beschwerden“, sagt Lamprecht. Da ein schwerer COVID-19-Verlauf meist sowohl ein Lungenversagen verursacht und einen langen Intensivaufenthalt bedingt, ist verständlich, dass diese Langzeitfolgen auch COVID-19-Patienten betreffen können.

Und wie geht es der Lunge von Covid-19-Genesenen? Auch hier gab es früh in der Pandemie die Befürchtung, es könnten sich bleibende Lungenschäden entwickeln. „Erfreulicherweise sehen wir bei den Nachkontrollen von Patienten, dass sich die Lungenfunktion nach drei bis sechs Monaten vollständig normalisiert“, sagt Lungenspezialist Lamprecht. In Einzelfällen könne es – wie nach jeder Lungenentzündung – zu einer Lungenfibrose kommen, aber: „Das ist sicher nicht der Regelfall“, sagt Lamprecht.

Ob Covid-19 zu einem chronischen Erschöpfungssyndrom führen kann, wird die Zeit zeigen: Nach sechs Monaten spricht man von einem chronischen Zustand. Die Vergleiche mit SARS-1 seien jedenfalls mit Vorsicht zu betrachten, dann damals sei die Erkrankung viel schwerer verlaufen. Lamprecht fasst zusammen: "Es bestehen ausreichend Hinweise dafür, die Folgeerscheinungen einer Covid-19-Erkrankung als Post-Covid-Syndrom zu bezeichnen." Eine Rehabilitation könne jedenfalls in den meisten Fällen eine vollständige Genesung und eine Rückkehr ins „alte“ Leben ermöglichen.