Zum zweiten Mal hat ein zielgerichtetes, spezifisch gegen ein bestimmtes Merkmal von Tumorengerichtetes Medikament in Europa eine Zulassung für die Behandlung gleich mehrerer Krebsarten erhalten. Das gab der Schweizer Pharmakonzern Roche am Montag bekannt. Entrictinib blockiert eine Tyrosinkinase-Enzym, das bei verschiedenen Krebsformen vermehrt vorkommen kann.

Die Europäische Kommission hätte "die bedingte Zulassung von Entrectinib zur Behandlung von Erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab zwölf Jahren" erteilt. "Entrectinib kommt bei Patienten mit soliden Tumoren (kein Blutkrebs, Anm.), die eine neurotrophe Tyrosinrezeptorkinase (NTRK)-Genfusion bilden, die eine lokal fortgeschrittene, metastasierte Erkrankung aufweisen oder bei der eine chirurgische Resektion (Entfernung; Anm.) wahrscheinlich zu schwerer Krankheitslast führt, und die bisher keinen NTRK-Inhibitor erhalten haben, bzw. für die keine zufriedenstellende Behandlungsmöglichkeiten vorliegt zur Anwendung", teilte der Konzern mit.

Zielgerichtete Medikamente, das sind vor allem kleine, synthetisch hergestellte Moleküle als Enzymblocker, haben in den vergangenen 20 Jahren wesentliche Fortschritte in der Krebstherapie gebracht. Ihr Effekt ist jeweils speziell auf einen vorher identifizierten Ansatzpunkt ausgerichtet, der das Wachstum bösartiger Zellen antreibt. Bei allen anderen Krebszellen, die dieses Merkmal nicht aufweisen, wirkt die Substanz nicht.

Dafür ist der Effekt oft groß, es können sich aber Resistenzen ausbilden. Gleichzeitig haben diese Medikamente durch ihre sehr spezielle Wirkweise oft geringe Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe. Zum erfolgreichen Einsatz kommen sie beispielsweise bei bestimmten Lungenkrebsformen. Vor einer Behandlung muss immer geklärt werden, ob die Tumorzellen jenes Merkmal besitzen, gegen die sich das Arzneimittel richtet. Da aber diese Merkmale nicht spezifisch für Tumore eines Organs - zum Beispiel der Lunge, des Magens etc. - sind, wurde immer schon eine Zulassung solcher Wirkstoffe gleich für mehrere Tumorarten überlegt, sozusagen "organübergreifend".

NTRK-Genfusionen können beispielsweise bei Sarkomen, nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, bei manchen Formen von Brust-, Schilddrüsen-, Dickdarm-, Bauchspeicheldrüsen- oder Eierstockkrebs vorliegen. Hier zeigte sich in Studien, dass Patienten unter der Behandlung mit dem NTRK-Hemmer zu einem Anteil von mehr als 60 Prozent auf die Therapie mit einem Rückgang der Tumorlast ansprachen. Die Wirkung hielt im Mittel fast 13 Monate an. Insgesamt wurde das bei 13 verschiedenen Tumorarten ausgetestet.

Das Problem liegt laut Onkologen allerdings daran, dass nur etwa ein Prozent der TumoreNTRK-Mutationen aufweisen. Dann aber sei die Wirkung sehr gut, hieß es. Auch für die Behandlung von sogenannten ROS-1-positiven nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen wurde das neue Medikament jetzt in der EU-zugelassen.

Eine bedingte Zulassung bedeutet, dass weitere Daten über Wirksamkeit und Nebeneffekte bzw. Sicherheit geliefert werden müssen. Bei solchen Onkologika gegen "seltene" Erkrankungen gibt es oft nur Informationen zu wenigen Patienten aus Studien. Daher wird die Beobachtung über die eigentliche Zulassung (bedingt) hinaus ausgedehnt.

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