Endlich einmal gute Nachrichten in der Coronakrise: Erstmals hat die EU-Kommission mit Remdesivir ein Medikament gegen die Lungenkrankheit Covid-19 zugelassen. Doch was bedeutet das nun für Patienten und ist damit ein Wundermittel gegen das Virus gefunden? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1. Was ist Remdesivir?

Das Mittel der US-Pharmafirma Gilead Sciences wurde ursprünglich zur Behandlung der Viruserkrankung Ebola entwickelt, aber nie für diesen Einsatz zugelassen. Später gab es Hinweise darauf, dass es gegen Coronaviren wirken könnte. Remdesivir wird per Infusion verabreicht und hemmt ein Enzym der Viren, das für deren Vermehrung nötig ist.

2. Wie wirkt Remdesivir bei Covid-19?

Es wurden mehrere Studien zu Remdesivir veröffentlicht, aber aus vielen ließen sich kaum Schlüsse auf eine Wirksamkeit ziehen. Im Mai präsentierte ein internationales Team jedoch erste positive Ergebnisse im "New England Journal of Medicine" ("NEJM"). Rund die Hälfte der 1.063 Probanden bekam Remdesivir. Die andere kam in die Kontrollgruppe. Dabei zeigte sich: Remdesivir kann die Erkrankungsdauer verkürzen. "Wir haben nachgewiesen, dass das Medikament bei einer Covid-19-Erkrankung den schweren Verlauf abmildert und die Krankheitsphase um etwa vier Tage verkürzt", sagt der an der Studie beteiligte Infektiologe Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln. Die Patienten mit Remdesivir hatten eine Genesungszeit von elf Tagen, die der Kontrollgruppe von 15.

3. Ist das nun der Durchbruch, auf den die ganze Welt gewartet hat?

Infektionsspezialist Robert Krause (Med Uni Graz) sagt: "Wir freuen uns, da Remdesivir das erste Medikament ist, das Patienten erwiesenermaßen einen Vorteil bringt. Wir können es bei Patienten einsetzen, die bereits eine verringerte Sauerstoffaufnahme haben - also bei Patienten, die aufgrund einer Covid-19-Erkrankung ins Krankenhaus müssen."

Was Remdesivir bisher aber noch nicht gezeigt hat: Das Medikament konnte in Studien die Sterblichkeit von Patienten nicht senken, es konnte also nicht verhindern, dass Menschen an der Erkrankung sterben. "Wir wissen auch noch nicht, ob Remdesivir Komplikationen wie Pilzinfektionen oder Herzmuskelentzündungen verhindern kann", sagt Krause - diese Daten fehlen noch. Für Patienten, die bereits auf der Intensivstation sind und beatmet werden müssen, habe sich somit kein Vorteil gezeigt. "Wir haben nun erstmals ein Medikament, das den Patienten nachweislich hilft - für ein  großes Durchschnaufen reicht das aber noch nicht", sagt Krause.

Robert Krause, Infektionsspezialist
Robert Krause, Infektionsspezialist © LKH-Univ. Klinikum Graz/Werner S

4. Wie wurde Remdesivir bisher eingesetzt?

Schon vor der Zulassung wurde Remdesivir auch in Österreich bei Covid-19-Patienten eingesetzt: Möglich war das durch den sogenannten "compassionate use". Dafür stellte Firma Kapazitäten zur Verfügung, Mediziner konnten das Medikament anfordern, wenn sie dachten, es könnte ihren Patienten helfen. Aber: "Das war bald nicht mehr möglich, da das Arzneimittel in Österreich nicht verfügbar war", sagt Robert Krause, der am LKH-Uniklinikum Graz Covid-Patienten behandelt. Das sollte sich jetzt durch die Zulassung hoffentlich ändern.

5. Wird das Mittel in ausreichendem Maß verfügbar sein?

Die USA haben sich einen Großteil der bis September anvisierten Produktionsmenge gesichert. Österreich habe derzeit ausreichend Reserven, hatte es vor wenigen Tagen auf Anfrage der APA geheißen. Haupt-Produktionsstandort von Remdesivir ist La Verne in Kalifornien. "Allerdings haben wir unsere eigene Herstellung durch erhebliche zusätzliche Kapazitäten von mehreren Produktionspartnern in Nordamerika, Europa und Asien ergänzt", erläutert der Sprecher von Gilead in Deutschland, Martin Flörkemeier. Gilead habe auch Lizenzvereinbarungen mit neun Generikaherstellern in Ägypten, Indien und Pakistan abgeschlossen. Es habe die Produktion bereits erheblich gesteigert, sie könne bei einem großen Ausbruch jedoch nicht rasch weiter hochgefahren werden.

6. Wer soll mit Remdesivir behandelt werden?

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hatte die Zulassung für Patienten ab zwölf Jahren empfohlen, die eine Lungenentzündung haben und mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden müssen. Die Studie habe gezeigt, dass vor allem Patienten in einer frühen Phase der Krankheit von Remdesivir profitierten.

7. Was kostet das Medikament?

Eine fünftägige Behandlung mit Remdesivir wird nach Unternehmensangaben bei Bestellung durch die US-Regierung 2.340 Dollar (etwa 2.000 Euro) pro Patient kosten, das dürfte wohl als Richtlinie gelten. Der deutsche Forscher Fätkenheuer kritisierte den Preis als "enorm hoch". "Ich würde schon erwarten, dass gesamtgesellschaftliche und ethische Gesichtspunkte bei einem Medikament wie Remdesivir eine Rolle spielen", sagte der Infektiologe.