Wenn Andrea Hold gefragt wird, ob sie Kinder hat, antwortet sie: Ich bin Mutter von drei Kindern, aber nur eines ist am Leben. Auch ihre zweijährige Tochter Annika weiß bereits, dass sie zwei Geschwister hat, die leider gestorben sind.

Lisa und Max waren Zwillinge und sie waren für Andrea Hold absolute Wunschkinder. Nach vier Versuchen mit künstlicher Befruchtung hatte sich ihr lang gehegter Traum, schwanger zu werden, erfüllt. Doch schon in der 22. Schwangerschaftswoche bekam die werdende Mutter plötzlich Kreuzschmerzen, sie fuhr ins Krankenhaus, wo sich herausstellte, dass sie bereits Geburtswehen hatte - viel zu früh. „Mir wurde gesagt, dass meine Kinder jetzt zur Welt kommen werden. Und mir wurde gesagt, dass sie nicht überleben werden.“ So erinnert sich Hold an diesen 17. Jänner 2016. Die Geburt ihrer Kinder war „gleichzeitig das Schönste und Schlimmste, was ich je erlebt habe“, sagt sie. Ihr Sohn Max starb noch während der Geburt, ihre Tochter Lisa eine halbe Stunde nach der Geburt, in ihren Armen.

Wie im Film hat Andrea Hold diese Stunden erlebt: „Es war alles so unwirklich, ich konnte nicht fassen, dass das wirklich passiert.“ Als werdende Mutter ging sie ins Krankenhaus, sechs Stunden später waren ihre Zwillinge nicht mehr am Leben. Das Krankenhaus verließ sie als Mutter von zwei Sternenkindern - so werden Kinder bezeichnet, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben.

Wird es irgendwann besser?

Als Hold zwei Tage später aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen wurde, ging es ihr psychisch sehr schlecht. „Ich bin zu Hause gesessen und habe gedacht: Bin ich die Einzige? Was machen andere in so einer Situation“, erinnert sie sich. Und da war noch eine Frage, die in ihrem Kopf kreiste: „Wird es irgendwann wieder besser?“

Einerseits hatte sie das Glück, von ihrem sozialen Umfeld aufgefangen zu werden: Da waren Freunde, die sie anriefen, ihr anboten, zu reden. Da waren aber auch Menschen, die so taten, als sei nichts passiert. „Das hat mich sehr verletzt“, sagt Sternenmama Hold.

Um den Austausch mit anderen Betroffenen, der ihr so fehlte, möglich zu machen, hat Andrea Hold gemeinsam mit Kathrin Bitzer-Kaufmann, die Einzel-, Paar- und Familientherapie anbietet, eine Selbsthilfegruppe gegründet. „Fehlgeburten und stille Geburten sind noch immer ein Tabu-Thema“, weiß Bitzer-Kaufmann. So wie Andrea Hold haben viele Mütter, die in die Selbsthilfegruppe kommen, die Erfahrung gemacht: Erst wenn sie von ihren Sternenkindern erzählen, öffnen sich auch andere Frauen und beginnen darüber zu sprechen. Dass so wenig darüber gesprochen werde, habe aber bestimmt auch damit zu tun, dass sich Außenstehende in dieser Situation so hilflos fühlen.

Andrea Hold und Kathrin Bitzer-Kaufmann haben eine Selbsthilfegruppe gegründet. Die beiden Figuren symbolisieren Lisa und Max
Andrea Hold und Kathrin Bitzer-Kaufmann haben eine Selbsthilfegruppe gegründet. Die beiden Figuren symbolisieren Lisa und Max © Pajman

Aber auch innerhalb der Partnerschaft kann der Verlust des ungeborenen Kindes schwer zu verarbeiten sein: „Jeder geht anders damit um, wie schafft man es trotzdem, gemeinsam zu trauern?“, ist laut Bitzer-Kaufmann Thema in den Gesprächen. Schließlich verabschiedet man sich nicht nur von seinem Kind, sondern auch von der Vorstellung vom Leben mit einem Kind, die man schon in sich trug.

„Darf ich so traurig sein?“ Auch diese Frage beschäftigt Mütter und Paare - und Bitzer-Kaufmann erklärt: „Egal, welche Emotionen entstehen, es ist okay. Es gibt keine falschen Gefühle in so einer Situation.“

Besondere Bilder

Sternenmama Andrea Hold hat eine Psychotherapie gemacht, auch die Bilder von ihren Zwillingen haben ihr sehr geholfen. Heute ist es für Eltern von Sternenkindern möglich, einen Fotografen anzufordern, der ehrenamtlich ins Krankenhaus kommt und schöne Bilder von dem verstorbenen Kind anfertigt. Überhaupt gebe es viele positive Entwicklungen rund um das Thema, unterstreicht Hold - mehr Informationen im Krankenhaus, mehr professionelle Ansprechpartner.

Drei Monate nach der Geburt von Lisa und Max wurde Andrea Hold wieder schwanger, auf natürlichem Weg. „Ich habe mich so gefreut, gleichzeitig war natürlich auch Angst da“, sagt Hold. Doch sie hatte ein einfühlsames Team, das sie durch die Schwangerschaft begleitete - und es ging alles gut, Tochter Annika kam gesund zur Welt.

„Der errechnete Geburtstermin meiner Tochter war exakt der Geburts- und Sterbetag von Lisa und Max“, sagt Hold. „Das war schon fast unheimlich.“