Welche Erfahrungen haben Sie in der Beratung von Menschen mit Fernbeziehungen? Welche Fragen werden am häufigsten gestellt?

Dominik Borde: Die meistgestellten Fragen beziehen sich auf die typischen Ängste in einer Fernbeziehung: etwa die Angst, den Partner zu verlieren, weil man ihn nicht in Reichweite hat; Einsamkeit, weil der Partner nicht da ist; Zweifel, weil der Partner nicht ans Telefon geht; Unsicherheit, ob Liebe auf Distanz überhaupt funktionieren kann.

Hat eine Fernbeziehung auch positive Seiten?
Eine Fernbeziehung bringt immer sowohl positive als auch negative Erfahrungen. Jedes Treffen heißt, sich „neu zu verlieben“. Beziehungsmüdigkeit und Alltagstrott kommen erst gar nicht auf. Menschen, die eine Beziehung auf Distanz führen, beschäftigen sich intensiver mit dieser, sie pflegen sie meist auch achtsamer. Es bleibt wenig Raum für unnötige Streitereien, da die gemeinsame Zeit kostbar genutzt werden will.

Wie sieht es mit Treue in Fernbeziehungen aus?
Vertrauen schaffen ist in einer Fernbeziehung essenziell. Partner in einer Fernbeziehung sollten unbedingt über Treue beziehungsweise Untreue offen sprechen und sich einig sein.

Ist die Wahrscheinlichkeit in einer Fernbeziehung höher, betrogen zu werden?
50 Prozent fürchten, dass eine Beziehung, in der die Partner fern voneinander getrennt leben, einen Seitensprung fördert. Völlig zu Unrecht! Partner in Distanzbeziehungen gehen laut Studie sogar weit weniger fremd, nämlich 40 Prozent im Vergleich zu 60 Prozent bei fix zusammenlebenden Paaren. Denn selbst wenn der Partner in mittelbarer Reichweite lebt, kann jeder nur selbst dafür sorgen, dass er einem gerne seine Treue schenkt. Niemals wird es durch bloße Anwesenheit oder Kontrolle gelingen, sich die Liebe seines Partners zu sichern.

Was raten Sie Paaren, um die Liebe auf Distanz zu meistern?
Ich rate dazu, sich möglichst oft zu sehen, mindestens alle drei Wochen, ansonsten wird die Beziehung auf Dauer instabil. Auch in der Zeit, in der man nicht zusammen ist, sollte man Kontakt halten: Erotische E-Mails, kleine Aufmerksamkeiten mit der Post, zwischendurch telefonieren, eine kleine Liebesbotschaft verstecken, aktuelle Fotos austauschen. Das alles verbindet und schafft Nähe trotz räumlicher Distanz.

Was hilft noch, um miteinander verbunden zu bleiben?
Die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Das heißt: offen und intensiv zu kommunizieren, um den Partner am „Single-Leben“ teilhaben zu lassen. Dabei ist es wichtig, auch über Ängste zu reden oder über banale Alltagsgeschichten. Das Entscheidende dabei ist, mit seinem Partner offen über Ziele und Wünsche zu sprechen und gemeinsame Lösungen zu finden.

Inwiefern sind gemeinsame Rituale wichtig?
Es ist das Wir-Gefühl, das nicht nur einer Fernbeziehung dauerhaften Bestand gibt. Kleine gemeinsame Rituale, wie auch immer diese aussehen mögen, sind empfehlenswert: Das kann etwa ein gemeinsamer Spaziergang am Tag des Wiedersehens oder der Besuch des gemeinsamen Lieblingslokals sein. Wichtig ist, gemeinsame Bezugspunkte herzustellen, einen gemeinsamen „Anker“ zu besitzen.

Warum hilft es, gemeinsam über die Zukunft zu reden?
Gemeinsame Perspektiven ebnen den Weg in eine gemeinsame Zukunft: So wie der Wunsch der Vater des Gedankens, ist der gemeinsame Gedanke das Fundament für eine Zukunft zu zweit. Darüber zu reden, festigt in beiden Partnern die Gewissheit, miteinander innig verbunden zu sein und zusammen ein Ziel zu verfolgen: Man könnte etwa als gemeinsame Perspektive nach einem gewissen Zeitraum beschließen, zusammenzuziehen oder durch Home-Working mehr Zeit gemeinsam zu verbringen.

Muss man irgendwann Nägeln mit Köpfen machen und der Fernbeziehung ein Ende setzen?
Die gemeinsame Zukunft ist gemeinsame Sache der beiden Partner. Wie auch immer sie aussehen mag, bestimmend ist, dass von Zeit zu Zeit darüber gesprochen wird: Welche Hoffnungen und Vorstellungen hat jeder Einzelne, welche Ängste werden damit verbunden? Gemeinsame Zukunftsbilder können etwas sein, worauf man sich gemeinsam freut. Noch wichtiger ist, den Moment, in dem man sich gerade befindet, zu genießen. So kann man das gemeinsame Glück erhalten und weiterwachsen lassen. Das gilt übrigens nicht nur für Fernbeziehungen.

Dominik Borde ist Beziehungscoach in Wien
Dominik Borde ist Beziehungscoach in Wien © www.sozialdynamik.at