Heuer war ich zu einer Lesung geladen, die am Rande eines embryologischen Kongresses stattfand. Menschen aller erdenklichen Nationalitäten hasteten im Messegelände umher, schwer behängt mit Werbetaschen, auf denen Eizellenspende und Spermienbeschleuniger beworben wurden wie Softdrinks und Tiefkühlpizza. Auf den meterhohen Plakatwänden überglückliche Eltern, die die perfekten Füßchen ihrer süße Babys küssten. Wie ein Supermarkt, dachte ich, für eigene Babys.

Was ist das eigene Baby? Das leibliche? Was ist das wieder? Jenes, das man gezeugt hat? Das im Leib der Frau herangewachsen ist und von ihr geboren wurde? Ist ein Kind noch leiblich, wenn sich die „eigenen“ Eizelle und die „eigenen“ Spermazelle verschmelzen, der Uterus aber geliehen ist? Ist ein Kind immer noch leiblich, wenn es mithilfe einer gespendeten Ei- oder Spermazelle gezeugt wird, also mit einem Elternteil nicht verwandt? Und was ist das eigentlich: Mutter?

Ein Vertragsgegenstand

In allen Ländern der Welt ist das ziemlich klar geregelt. Mutter ist diejenige, die das Kind austrägt. In der Ukraine, in Russland, in Südafrika und in manchen USA-Bundesstaaten ist es möglich, diese Regel vertraglich zu umgehen. Wo die kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt ist, wird die Mutter zur Schwangerschaftsträgerin und das Kind zum Vertragsgegenstand. Je nach Land kostet so etwas zwischen 10.000 und 100.000 Euro, Beträge, von denen Kliniken und Agenturen einen Großteil wegnaschen. Den Leihmüttern bleibt aber immer noch mehr, als sie in jahrelanger „normaler“ Arbeit erwirtschaften könnten (so es überhaupt Arbeit gibt).

Ist Leihmutterschaft somit ein Akt der Selbstermächtigung? Sollen Frauen nicht einfach über ihre Organe verfügen? Kann man den geborgten Uterus nicht mit gespendeten Samen vergleichen, und die ganze Sache einfachheitshalber als Körperarbeit enttabuisieren, so wie es bei Prostitution und Sexarbeit geschehen ist? Darf Moral wirklich dem Fortschritt im Wege stehen?

Während sich die klügsten Menschen aus Ethik, Theologie und Biotechnik die Köpfe zerbrechen, wie die Würde des Menschen in der Fortpflanzungstechnologie gewahrt werden kann, floriert der globale Handel. Babys werden mittels getrickster Adoption und gefälschten Geburtsurkunden in die Bestellerländer gebracht. Geschätzte 200 pro Jahr in Frankreich oder Deutschland, 15-20 in Österreich.

Altruismus und Religiosität

Gegen Leihmutterschaft spricht nicht nur so manches Gesetz. Kommerzielle Leihmutterschaft wurde in Indien und Thailand verboten, weil es hässliche Nebenwirkungen gab. Teenager, die von ihren Familien ausgebeutet, in veritablen Brutstationen kaserniert und in Serie befruchtet wurden. Behinderte Kinder, die „retourniert“ wurden oder in Waisenhäusern landeten. 65-Jährige Eltern, denen das Jugendamt das Kind abnehmen musste. Ein Mann, der sich 10 Kinder „anfertigen“ ließ.

Wie so oft ist es letztlich das Geld, das die Grenzen des Unmöglichen aufhebt. Auch wenn Agenturen und Kliniken gerne Altruismus und Religiosität als Anreiz anführen: Fakt ist, dass sich reichere Menschen die Gebärmütter von ärmeren mieten. Dass das Geld sich viel schneller einen Weg sucht, als das Gesetz reagieren kann. Der Markt weicht geschickt aus, juristisch wie geografisch. So wurden gleich drei indische Kliniken nach dem Verbot kommerzieller Leihmutterschaft nach Mombasa, Kenia verlegt. Der Spezialist fliegt nun jedes Mal aus Indien ein,um in sog. „Befruchtungsmarathons“ (meist weiße) Embryos in (immer Schwarze) Kenianerinnen einzusetzen.

Während Leihmutterschaft im reichen Westen als Alternative zu Adoption in der Gesellschaft sanft in der Norm ankommt, wächst woanders Frauenarmut verlässlich nach - in Afrika, Russland, Mittelamerika. Und arme Frauen wollen, dass es ihren Kindern einmal besser geht. Für sie nehmen sie diese Strapazen auf sich. Aus Altruismus. Wie viele Leihmütter es global gibt, wie viele altruistisch sind, wie viele Kinder schon so auf die Welt gekommen sind, ist unter dem Schleier von Gesetzesbrüchen und Dokumentenfälschung unrecherchierbar. Nur eines scheint klar: der Markt floriert, Tendenz steigend.

Die österreichische Autorin und Adoptivmutter Gertraud Klemm
Die österreichische Autorin und Adoptivmutter Gertraud Klemm © Dirk Skiba

Wo ziehen wir die Grenze? Soll man seine Niere verkaufen dürfen? Warum nicht, wenn man zwei hat und das Geld gut gebrauchen kann?

Die Freiwilligkeit einer körperlichen Leistung sollte uns suspekt sein, wenn die Leistung immer entlang einer ökonomischen Schwerkraft erfolgt: wenn ärmeren Menschen etwas zugemutet wird, was für reichere undenkbar ist. Wenn Frauen, die teilweise nicht einmal lesen können, mit Knebelverträgen ihrer Rechte beraubt werden. Verbote bringen nichts, wenn sie nicht global ausgesprochen und exekutiert werden. Aber müssen wir deswegen achselzuckend zusehen, wie der globalisierte Kapitalismus in menschliche Organe vordringt? Nicht genug, dass ökonomisch schwächere Menschen unseren Giftmüll sortieren, unseren Kakaonüsse schleppen, unsere Kleider nähen: jetzt „dürfen“ sie auch noch unsere Kinder austragen.

Druck und Norm

Wie viel darf unser Familiensegen andere kosten? Wie viel patriarchales Erbrecht steckt in unserem Wunsch nach leiblichen Kindern, und wie viel gesellschaftlicher Druck, der Norm zu entsprechen? Ist Kinderwunsch nicht eigentlich auch Fortpflanzungswunsch, genetische Eitelkeit und eine Illusion des „Weiterlebens“ nach dem Tode? Und wer denkt eigentlich an die Kinder, die mit der Situation zurechtkommen müssen, zwei Mütter zu haben, vielleicht sogar drei; eine gebärende, eine genetische und eine soziale? Warum werden ihnen entwicklungspsychologische Traumata, die bei jeder Trennung nach der Geburt immanent sind, zugemutet?

Wollen wir nicht lieber den Wunsch nach Kindern mit dem Bedürfnis nach Eltern kurzschließen? Seriöse (!) Auslandsadoptionen erleichtern, das Pflegekinderwesen attraktiver machen?

Kinderwunsch ist ein mächtiges Instrument, mit dem man Gesetze aushebeln kann, Geld scheffeln, Paare spalten, den Selbstwert von Frauen und Männern in Grund und Boden stampfen. Ich wünsche mir, dass diese Macht zum Wohl der Kinder eingesetzt wird, die schon auf der Welt sind. Beim Kinderwunsch läuft zusammen, was unsere Existenz definiert: das Leben weitergeben, als vollwertig angesehen werden. Ich kenne die Verzweiflung, das Gefühl, man hätte ein Recht auf ein Kind. Doch niemand hat ein Recht auf ein Kind. Allein das Kind, das schon geboren ist, hat ein Recht: das Recht auf Eltern.