Hände desinfizieren, Maske aufsetzen, Nasenbügel anpassen. Hatice Koca – blauer Schwesternkittel, schwarzer Hijab – erklärt jeden Schritt. 1,2 Millionen Menschen haben bisher auf TikTok zugesehen, wie Koca, die in Wien Gesundheits- und Krankenpflege studiert, in 15 Sekunden demonstriert, wie man seine FFP2-Maske richtig trägt. Koca ist zwar noch in Ausbildung, auf der Videoplattform TikTok ist sie allerdings längst Profi. Sie ist eine der wichtigsten österreichischen Influencer. Ihren 140.000 Followern erklärt sie Krankheitssymptome, gibt Erste-Hilfe-Tipps oder erzählt aus ihrem Pflegerinnen-Alltag: „Auf TikTok kann ich auf eine kreative Art und Weise mein Wissen vermitteln und meinen Followern Einblick in meinen zukünftigen Beruf geben.”

Österreich versuchte während der Pandemie die Bevölkerung mit Inseraten in Massenmedien zu erreichen. Das „virologische Quartett“ informierte von höchster Stelle: Bundeskanzler Sebastian Kurz, Werner Kogler, Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober sowie Innenminister Karl Nehammer, traten gezählte 209-mal vor die Presse. Insbesondere die junge Generation ist über Zeitungen oder TV kaum zu erreichen. Länder wie Italien oder Finnland beschreiten daher neue Wege.
„Wir sind uns bewusst, dass die Regierungskommunikation nicht alle erreicht“, wird Aapo Riihimäki, Kommunikationsspezialist im Büro der finnischen Premierministerin, auf Politico zitiert. Finnland kooperiert mit Influencern, die auf Social Media Inhalte posten, welche von einer Marketing-Firma aufbereitet werden. In Italien werden für die unter 30-Jährigen Influencer auf Facebook, Instagram und Twitch in die Impfkampagne eingebunden, Jugendliche unter 20 Jahren werden auf TikTok angesprochen.

Zwischen Wissenschaft und Politik

Solche Kooperationen können jedoch auch Gefahren bergen. Mögliche Fehler in der Kommunikation führen zu Missverständnissen, andererseits können sich Influencer politisch vereinnahmt fühlen. „Wenn die Politik die Fakten und Studienlage präsentiert, dann handelt es sich nicht um die Meinung der Politik, sondern um die Meinung der Wissenschaft. Dann ist die Wissenschaft der Politik übergeordnet”, sagt der Vorarlberger Arzt und Influencer Dominik Klug, der auf Instagram Tipps zu Fitness, Gesundheit und Medizin gibt.

Im Herbst hatte NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger die Diskussion um Influencer als Kommunikatoren in Österreich angestoßen. Die Idee wurde an die Regierung weitergegeben, zur Umsetzung kam es jedoch nicht. Zwar wirbt „Österreich impft“ mit Promis, dass Influencer auf ihrem Kanal im Auftrag der Regierung Inhalte ausspielen, passierte bisher jedoch nicht.

Kaum Projekte mit Influencern in Österreich

Für Hatice Koca wäre es höchste Zeit: „In Österreich blendet man Social Media gerne aus. Es ist eine Option, die extrem vernachlässigt wird, die jedoch wichtig wäre.” Mit rund drei Millionen aktiven Instagram-Nutzern in Österreich gibt es auch eine große Zielgruppe, die so zu erreichen wäre. Für die Tik-Tokerin wäre es nicht abwegig, mit der Regierung zu kooperieren: „Es wäre für mich ein Lob, weil dadurch meine Arbeit auf Social Media wertgeschätzt wird.”

Mit dem Impfstart für Jugendliche ist die Frage aktueller denn je, wie die junge Bevölkerung zum Pieks bewegt werden kann. Deshalb fährt Vorarlberg gemeinsam mit Influencern die neue Kampagne „Vorarlbergs Jugend impft“. „Das Ziel ist, dass sich auch Jugendliche impfen lassen. Nachdem 12 und 13-Jährige für die Impfung die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten brauchen, müssen wir die Jugendlichen sowie ihre Eltern erreichen”, sagt Bernhard Tschann von der verantwortlichen Agentur ikp.

Die 20-jährige Studentin und Influencerin Nina Netzer, die auf TikTok rund 38.000 Menschen erreicht, ist mit dabei. Sie wird Videos hochladen, in denen sie mit Allgemeinmediziner Bernhard Schlosser über die Corona-Impfung spricht. „Ich möchte bei der Entscheidung für eine Impfung unterstützen und über die Fakten informieren”, erklärt Netzer bei der Vorstellung der Kampagne. Mit „Vorarlbergs Jugend impft” hat somit auch Österreich das Potenzial von Influencern entdeckt.

Mehr zum Thema