Zentral ist dabei das "Kuschelhormon" Oxytocin, das bei Säugetieren das Sozialverhalten, insbesondere soziale Interaktionen, steuert. Bei Autisten stört eine genetische Mutation in den Nervenzellen die Signalwege des Oxytocins im Belohnungszentrum des Hirns. Neuroligin-3 heißt das inkriminierte Gen,. Ist es mutiert, so wird das Gleichgewicht der Proteinproduktion in den Nervenzellen gestört. Dieses Ungleichgewicht wiederum verändert die Reaktion der Nervenzellen auf Oxytocin. Ein Forschungsteam um Peter Scheiffele am Biozentrum der Universität Basel konnte nun zeigen, dass sich die Veränderung im Oxytocin-System bei den Mäusen mit Neuroligin-3-Mutation durch die Behandlung mit einem pharmakologischen Hemmstoff der Proteinsynthese wieder beheben lässt.

Sozialverhalten normalisierte sich

Das Sozialverhalten der Mäuse normalisierte sich nach der Medikation: Sie reagierten wie ihre gesunden Artgenossen unterschiedlich auf ihnen bekannte und fremde Mäuse. Derselbe Hemmstoff wirkte sich auch in einem zweiten Mausmodell für Autismus positiv auf die Verhaltensweise aus und könnte daher eine breitere Anwendung bei der Behandlung von Autismus ermöglichen. Dass über Oxytocin vermittelte Signale eine Rolle bei Autismus spielen, wurde bereits vermutet. "Dass Mutationen im Neuroligin-3-Gen direkt die Oxytocin-Signalwege beeinflussen, hat uns dennoch sehr überrascht. Uns ist es gelungen, zwei Teile des Puzzles über den Mechanismus von Autismus zusammenzusetzen", so Scheiffele. Drei wichtige Elemente wurden miteinander in Bezug gebracht: ein genetischer Faktor, die Regulation des Sozialverhaltens durch das Oxytocin-System und Veränderungen in der neuronalen Proteinsynthese.

"Ergebnisse zeigen neue Wege auf"

Das bringe "etwas mehr Klarheit in der Frage, wie die vielfältigen Ursachen für die Entstehung von Autismus zusammenhängen", schreibt Scheiffeles Team. "Zudem zeigen die Ergebnisse neue Wege auf, wie sich bestimmte Aspekte des Sozialverhaltens bei Autismus möglicherweise - falls gewünscht - behandeln lassen."

Scheiffele schließt nicht aus, dass mit dem neuen Ansatz auch andere Beeinträchtigungen von Autisten - obsessive Ordnungsregeln und repetitive Handlungen beispielsweise - behandelt werden könnten. In einem Tiermodell sei ein positiver Effekt mit Bezug auf kognitive Flexibilität festgestellt worden, wie der Studienleiter präzisierte.

In diesem Modell wurde auf Mäuse mit einer Mutation im Fmr1-Gen fokussiert. Beim Menschen ist dies zum Fragilen X Syndrom verändert und verantwortlich nicht nur für Autismus, sondern auch für andere kognitive Defizite sowie die Funktionsstörung der Eierstöcke.

Mehr zum Thema

Ob die in der Studie festgestellten positiven Effekte auf diese Störungen primär auf die Behandlung zurückgehe oder sekundär zur Funktion der Oxytocin-Signale sei, müsse aber erst noch näher untersucht werden.