Fünf Minuten noch, dann gehen wir los!“ Ein typischer Satz, der nur von einem Erwachsenen kommen kann. Und von Kindern in der Regel seelenruhig ignoriert wird. Denn Kinder haben etwas, was die „Großen“ nicht haben: alle Zeit der Welt. Kinder leben in der Gegenwart und nutzen den Tag – ohne diesen Zeitbegriff überhaupt zu kennen. Zeitangaben wie „in einer Stunde“ sind für Kinder bedeutungslos. Denn in ihrer Lebensrealität bieten sie keine Orientierung.

Noch einmal schlafen, dann ist Samstag


„Stellt man Kindern die Frage ‚Was ist Zeit?‘, verbinden viele damit höchstens Dinge wie Uhren und Ziffern“, sagt die Kuratorin. Erst nach und nach beginnen Kinder damit, Zeitspannen besser zu verstehen – etwa, wenn sie diese mit „Ritualen oder konkreten Erfahrungen in Verbindung bringen“. Zum Beispiel: Noch einmal schlafen, dann ist Samstag – und dann gehen wir ins Schwimmbad. Grob umgerechnet entspricht „10 Minuten“ also einer Folge „Unser Sandmännchen“.

Warum die Zeit immer schneller vergeht

Und dann wäre da noch ein ganz anderes Phänomen, das manch einem bekannt sein dürfte: Die Zeit scheint immer schneller zu vergehen, je älter man wird. Kindern erscheinen die Sommerferien ewig lang, während Erwachsene das Gefühl beschleicht, von Jahr zu Jahr immer weniger Zeit zu haben. Warum sich unsere Wahrnehmung im Laufe des Lebens ändert, erklärt der kanadische Psychologe Steve Taylor in seinem Buch „Making Time“. Demnach verlangsamt sich die gefühlte Zeit immer dann, wenn neue Eindrücke und Situationen von uns verarbeitet werden müssen. So lässt sich auch erklären, warum für Erwachsene die Zeit meistens wie im Flug vergeht. Im Gegensatz zu Kindern haben Erwachsene viele „erste Male“ bereits durchlebt, weshalb sie die meisten Ereignisse automatisch einordnen können.

Immer erreichbar, immer auf dem Sprung

Normalerweise lehren Erwachsene die Kinder, wie man die Uhr liest. Die Welt wäre eine andere, wäre es umgekehrt. Immer erreichbar, immer verfügbar, immer auf dem Sprung: Die moderne 24-Stunden-Gesellschaft würde nicht funktionieren, wären da nicht die Zeiger an der Uhr, die unserem Leben einen Takt vorgeben. Einheiten, die wir Sekunden, Minuten, Stunden und Tage nennen, strukturieren unser Denken und Handeln. Denn wer keinen Stress hat, gilt gemeinhin als faul. „Was wir in diesem Fall von Kindern lernen können“, sagt Gerlinde Podjaversek, „ist, nicht über die Vergangenheit nachzugrübeln, sich weniger um die Zukunft zu sorgen und vor allem mehr in der Gegenwart zu leben.“

Leicht gesagt, schwer zu beweisen – aber laut dem Psychologen Steve Taylor sei es tatsächlich möglich, auch als Erwachsener die eigene Zeitwahrnehmung zumindest temporär wie ein Kind zu „verlangsamen“. Und zwar, indem man sich möglichst vielen neuen Erfahrungen aussetzt und die Gewohnheit hintanstellt.

Mit welchem neuen Musikinstrument beginnen Sie also morgen?