Jeden Montag nachmittags ein Kaffee mit den besten Freunden in der Innenstadt, freitags ein Spieleabend und Samstag Vormittag der gemeinsame Brunch mit der Familie: Der Mensch ist ein soziales Wesen. Daher schöpfen wir aus solchen gemeinschaftlichen Ritualen Energie für unseren Alltag. Mit den neuen Einschränkungen des sozialen Lebens gehen somit große Fragen einher: Wie halte ich meine Kontakte am besten aufrecht? Und wie kompensiere ich das Ausbleiben solcher Rituale?

Seine Sorgen mitteilen
„Gerade jetzt, wo viele Menschen eine große Menge an sorgenvollen Gedanken haben, ist es wichtig, damit nicht allein zu bleiben“, sagt Psychotherapeutin Eva Tröbinger. Das hieße aber nicht, die Anweisungen der Regierung nicht ernst zu nehmen. Aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr, sei es wichtig persönlichen Kontakt zu vermeiden – nicht nur, aber vor allem mit Menschen, die zur Risikogruppe gehören. Das gelte aber nur für körperliches Nahesein.

Regelmäßiges telefonieren sei nicht nur erlaubt, sondern gerade jetzt besonders wichtig. Dabei empfehle es sich auch, das Telefonat mit der Mutter oder dem besten Freund wie ein tägliches Ritual handzuhaben: „Regelmäßiges telefonieren zur gleichen Uhrzeit ist ein Ritual das Sicherheit gibt“, meint Tröbinger. Gegen die Verunsicherung durch die aktuelle Situation helfen also Termine, die von beiden Seiten eingehalten werden – natürlich immer mit der Option, sich auch spontan zu melden, wenn man gerade das Bedürfnis danach hat.

Positives betonen
Bei Gesprächen mit vertrauten Menschen sollten natürlich auch die Sorgen, die man gerade hat, ein Thema sein. Gemeinsam kann man diese zielführender reduzieren, als bei alleinigem Grübeln Zuhause. „Wichtig ist es aber, den Schwerpunkt des Gesprächs nicht auf die sorgenvollen Gedanken zu legen“, empfiehlt Tröbinger. Verunsicherungen sollten in jedem Gespräch zwar Platz haben, aber weniger als ein Drittel der Unterhaltung ausmachen. Wichtig sei es, vor allem über Positives zu sprechen: Dabei kann man erzählen, was am heutigen Tag gut war, was man gemacht hat und wer sich vielleicht überraschend gemeldet hat. Geschichten aus dem Alltag können für gemeinsame Lacher sorgen und solche Lacher stärken auch nachweislich das Immunsystem.

Verstärken kann man die gemeinsame Erheiterung und das Gefühl der Nähe zusätzlich durch Videotelefonate. „Wo es möglich ist, sollte man auf visuelle Möglichkeiten zurückgreifen. Jemand anderen zu sehen, gibt ein zusätzliches Gefühl von Sicherheit“, sagt Tröbinger. Durch Videochats könne man verstärkt sicherstellen, dass es der vertrauten Person gut geht.

Gemeinsame Rituale erhalten 
Das Sehen vermittelt dem Gehirn zusätzlich zum Hören zusätzlich die Wahrnehmung, dass jemand da ist. Fällt der montägliche Kaffee mit den drei besten Freundinnen jetzt aus, sollte man auch die Option nutzen, die Videounterhaltung mit mehreren Personen gleichzeitig zu führen – und dabei vielleicht auch „gemeinsam“ via Chat einen Kaffee trinken. So bleiben Gruppenrituale, die Kraft geben, aufrecht.

Ist eine alte Person dennoch überfordert mit den technischen Möglichkeiten, und fällt auch das Telefonieren, beispielsweise wegen eines schlechten Hörvermögens schwer, empfiehlt Tröbinger zu altmodischen Mitteln zu greifen: „Methoden, wie Kontakt halten durch Briefe, sind alten Menschen sehr vertraut. Deshalb kann man sicherlich für Aufheiterung in einsamen Tagen sorgen, wenn man einen Brief verschickt“, meint die Psychotherapeutin.

Persönliches per Post verschicken 
Wichtig sei es dabei, darauf zu achten, dass man groß schreibt, damit der Brief auch für Menschen mit Beeinträchtigungen im Sehbereich gut lesbar ist. Wie man solche Briefe noch persönlicher gestalten kann? Indem man dem Umschlag frisch Zuhause ausgedruckte Fotos oder Kinderzeichnungen hinzufügt. Dadurch entsteht nicht nur eine visuelle Komponente, auch der haptische Bereich wird angelegt: Man hat also Nachrichten von den Liebsten, die man berühren und aufbehalten kann.

Telefonische Hilfe gegen Einsamkeit 
Wenn man gerade nicht weiß, wen man anrufen könnte, sollte man professionelle Möglichkeiten zu Gesprächen nutzen. Das ist gerade dann wichtig, wenn die sorgenvollen Gedanken zunehmen. In solchen Situationen gibt es zahlreiche  Angebote, wie etwa die Telefonseelsorge.



Ob man mit dem Nachbarn auf dem gegenüber liegenden Balkon spricht, zum Telefon greift, oder Briefe verschickt: Wichtig ist, emotional nicht allein zu bleiben. „Hier hat jeder die Eigenverantwortung, zum Hörer oder Bildschirm zu greifen und nicht alleine zu bleiben“, meint Tröbinger.

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