Meine Mutterstammt aus Wien, als aber gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die russischen Truppen auf Wien zumarschiert sind, bat meine Tante sie: „Nimm meine zwei Buben und zieh nach Kaprun.“ So bin ich in Zell am See zur Welt gekommen. Als ich fünf war, sind wir in Vorarlberg gelandet, weil mein Vater als Geschäftsführer für ein Textilunternehmen dorthin versetzt wurde. Meine Kindheit und Jugend im damals noch naturbelassenen Ried und auf den Bergen mit viel Bewegung war ein großes Glück.

"Meine Eltern haben praktisch Tag und Nacht gearbeitet"

Meine Eltern fand ich absolut vorbildhaft. Sie haben zwar Tag und Nacht gearbeitet, um sich ihr eigenes Unternehmen im Bereich Textilrohstoffe und Textilmaschinen aufzubauen, sich aber trotzdem sehr um meine jüngere Schwester und mich und unsere Erziehung gekümmert. Mit meinem Vater hatte ich zum Beispiel einmal im Monat einen Herrenabend, wie er es nannte: Manchmal war es auch ein Herrentag, an dem wir eine Bergtour gemacht haben. Da hat er sich viel mit mir beschäftigt, mir viel erklärt, wir haben Meinungen ausgetauscht.
Speziell in der Anfangszeit hatten meine Eltern sehr wenig Geld. Wir sind im Dachgeschoß einer riesigen Fabrik eingezogen, unten rumorten Maschinen, der Wind zog durch, die Fenster waren mit Moos abgedichtet. Es gibt ein Gericht, das ich heute noch kaum essen kann: Krautfleckerl, weil es die bei uns tagein, tagaus gegeben hat damals.
Ich habe gesehen, wie meine Eltern praktisch Tag und Nacht gearbeitet haben, das war für mich prägend. Ich wusste: Das will ich später einmal nicht so machen. Als ich mein Wirtschaftsstudium in St. Gallen abgeschlossen hatte, habe ich das kleine Unternehmen meiner Eltern auch nicht übernommen, sondern bin nach Basel zu einem großen Chemiekonzern.

Ein Bild aus dem Familienalbum: Der Enkel neben seinem Großvater Willy Elmayer-Vestenbrugg
Ein Bild aus dem Familienalbum: Der Enkel neben seinem Großvater Willy Elmayer-Vestenbrugg © KK


Mein Großvater Willy Elmayer, der 1919 die Tanzschule in Wien gegründet hat, war in meiner Kindheit sehr präsent, auch wenn wir in Vorarlberg gelebt haben und er in Wien. Mein Verhältnis zu ihm war teilweise absolute Bewunderung, aber nicht wegen der Etikette, des Tanzens und der Umgangsformen, sondern weil er so ein unglaubliches Pferdeverständnis hatte und ich ja auch geritten bin. Er war ein Pferdeflüsterer. Das war ein Aspekt, der mir sehr imponierte, obwohl mir manches, das ihm wichtig war, als Kind natürlich widerstrebt hat: etwa Damen die Hände zu küssen. Aber das führte immerhin dazu, dass ich gesellschaftliches Know-how von klein auf mitbekommen habe.

Ich hatte nie vor, einmal die Tanzschule meines Großvaters zu führen. Ich wollte unbedingt in die USA. Man darf nicht vergessen, wie weit die USA damals Europa voraus waren. Wenn Sie Wien in den 60ern erlebt hätten: Das war trist. Kein Vergleich zu heute. Ich habe mein Studium 1969 abgeschlossen, begann dann mit 23 Jahren meinen ersten Job, habe geheiratet und bin gemeinsam mit meiner Frau nach Südafrika versetzt worden – als internationaler Angestellter eines Schweizer Konzerns mit sehr attraktiven Konditionen. Dort kamen meine zwei Kinder zur Welt.

Heirat und Kinder haben nicht unbedingt zu meinem Lebensplan gehört, eher zu dem meiner damaligen Frau, aber ich bin sehr dankbar dafür, weil ich dadurch zwei sehr liebe und erfolgreiche Kinder habe – und inzwischen vier Enkel.

Thomas Schäfer-Elmayer mit seiner Lebensgefährtin Christine Zach und Sohn Pascal Schäfer-Elmayer
Thomas Schäfer-Elmayer mit seiner Lebensgefährtin Christine Zach und Sohn Pascal Schäfer-Elmayer © (c) Katharina Schiffl


Als Vater war ich zunächst einmal bei meiner Tochter sehr anwesend, diese vier Jahre in Südafrika. Damals war ich ja noch der Meinung, dass ich mich nicht wie meine Eltern für die Arbeit zerreißen sollte. Aber dann ist etwas passiert, das meine Einstellung geändert hat, nämlich die weltweite Ölkrise in den 70ern. Und der große Konzern, für den ich gearbeitet habe, musste auf einmal sparen. Es wurden in meinem Umfeld Leute entlassen, die wegen ihres Alters kaum mehr einen Job finden konnten. Von da an habe ich Karriere und beruflichem Erfolg Priorität gegeben. Ich war gerade 30, habe gekündigt und bin mit meiner Familie nach Europa zurückgekehrt.

Familienleben per Telefon

In einem deutschen Metallkonzern wurde ich Exportleiter und leitete zudem eine Sparte für hochreine Metalle. Das bedeutet, sehr viel zu reisen. Ich war fast permanent unterwegs. Mit meiner Familie habe ich zwar jeden Tag telefoniert, aber persönlich war ich nur wenig daheim. Die Umstellung, die meine Frau damals mitgemacht hat, war schon drastisch. Aber nach dem, was ich erlebt hatte, war ich der Meinung, ich müsste meine Karriere sichern. Den Kontakt zu meinen Kindern habe ich aber nie verloren. Sie sind mir sehr wichtig. Auch die Trennung von meiner Exfrau 1990 war einvernehmlich.

Der Einstieg ins Familienunternehmen

Als mich mein Vater 1987 fragte, ob ich an der Tanzschule Interesse hätte, weil er sich zur Ruhe setzen wollte, war ich überrascht. Ich war in meinem Beruf sehr glücklich und habe nicht an Veränderung gedacht. Langsam wurde mir aber bewusst, dass es für mich eine einmalige Chance gab: nämlich mich voll für Bildung, Tradition, Kultur und weitere sehr wertvolle Inhalte zu engagieren. Die Tanzschule Elmayer ist eine Institution, die in unserer einzigartigen Balltradition tief verwurzelt ist und nicht nur der Jugend Werte vermittelt, die taktvolles Zusammenleben erleichtern. Gutes Benehmen ist ja nicht nur für unseren Erfolg, sondern vor allem für unsere Lebensqualität wichtig. Einen Zwang, das Familienunternehmen zu übernehmen, gab es aber nicht. Auch meinen eigenen Kindern habe ich immer gesagt: „Ihr habt euer eigenes Leben. Macht, was ihr gerne machen wollt!“ Und ihre Interessen liegen ganz woanders.

Meinen Kindern gutes Benehmen mitzugeben, war mir immer wichtig, wenn auch nicht in der Dimension, die ich jetzt seit 30 Jahren damit verbinde. Die Etikette zu beherrschen, gehört zum Allgemeinwissen, ist ein Teil der Bildung, weil es uns die Möglichkeit gibt, die richtigen Signale zu senden und andere besser zu verstehen.

Mein Workaholic-Leben habe ich in Wien nahtlos fortgesetzt. Ich gebe heute noch bis zu 100 Seminare und Vorträge pro Jahr, habe neun Bücher herausgebracht, leite die Tanzschule, Bälle und übe karitative Tätigkeiten aus. Meine Partnerin Christine Zach erduldet dies schon seit 27 Jahren. Sie ist inzwischen auch beruflich meine größte Stütze, seit sie vor acht Jahren wichtige Funktionen in der Tanzschule übernommen hat. Meine Rolle als Vater und Großvater kommt leider deutlich zu kurz. Aber ich bin der Meinung: Solange man eine leitende Stellung hat, kann man nicht halblang machen.