Arbeit und Freizeit vermischen sich immer mehr. Welche Folgen hat der Mix für den Menschen?
Bettina Kubicek: Neue Kommunikationstechnologien ermöglichen es uns, zu jeder Zeit an jedem Ort zu arbeiten. Das führt dazu, dass die gedankliche Beschäftigung und das tatsächliche Arbeiten in der Freizeit häufiger wird und damit keine klaren Grenzen mehr gezogen werden.

Wie kann diese Grenzziehung auf Mitarbeiterebene gelingen?
Es braucht viel Selbstkontrolle der Beschäftigten. Man darf aber auch den positiven Aspekt von flexibleren Arbeitszeiten nicht außer Acht lassen. Sie gewähren Spielräume und Beschäftigte erleben diese auch als etwas Positives. Wichtig ist, dass diese Freiräume nicht ausgenützt werden und es keine zu hohen Erwartungen an die Erreichbarkeit gibt. Außerdem ist dieser Bereich sehr stark auf Wissensarbeit begrenzt. Personen in der Produktion oder Pflege können ihre Arbeit natürlich nur im Unternehmen ausführen. Aber auch sie nutzen neue Kommunikationsmedien, um sich zum Beispiel nach der Arbeit mit einem Thema zu beschäftigen, das sie in der Arbeit nicht mehr lösen konnten.

Zur „Work-Life-Balance“: Sind wir verweichlicht oder überbeansprucht?
Ich finde, dass der Begriff nicht ideal ist: Auch Arbeit ist Teil unseres Lebens. Ich würde es Work-Home-Balance nennen. Es gibt im Leben des Menschen mehrere Bereiche. Einer davon ist die Arbeit und dann gibt es andere, die ich mit „Home“ zusammenfassen würde. Das ist all das, was außerhalb der Erwerbstätigkeit stattfindet. Wichtig ist, dass wir die Rollen, die wir einnehmen möchten, auch wahrnehmen können und dabei nicht überfordert werden. Deswegen ist Balance hier so wichtig. Man muss einen Ausgleich schaffen. Welchen Stellenwert hat Arbeitsplatzsicherheit heutzutage?
Sie ist seit der Wirtschaftskrise 2008 wieder relevanter geworden. Es ist belastend, wenn man das Gefühl hat, dass einem eine Entlassung bevorstehen könnte. Andererseits trifft es auch die Personen, die im Unternehmen verbleiben. Sie müssen mit mehr Arbeitsbelastung kämpfen, weil sie viele Aufgaben übernehmen müssen. Der Druck im Unternehmen wird insgesamt größer. Sicherheit ist ein menschliches Bedürfnis, deshalb ist sie noch immer relevant, auch wenn häufig argumentiert wird, dass heute Personen den Job häufiger wechseln und sich auch viel stärker als früher für ihre eigene Karriere verantwortlich fühlen. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass sich die Unternehmen darum kümmern, dass sich Mitarbeiter weiterentwickeln können. Im Gegenteil, es wird noch eine zusätzliche Aufgabe, sich für Arbeitsmarkt oder den Arbeitgeber, aber auch für potenzielle andere Arbeitgeber attraktiv zu halten.

Wie müssen sich Beruf und Bildung verändern, um für die Digitalisierung gewappnet zu sein?
Die größte Herausforderung für Beschäftigte wird es sein, dass die Zyklen, innerhalb derer neue Technologien auf den Markt kommen, kürzer werden. Man kann noch nicht sagen, welche Fähigkeiten man brauchen wird, um seinen Beruf auszuüben. Ein guter Ansatz ist bei Kindern und Jugendlichen kreatives, flexibles Denken und Offenheit für Neues zu fördern.

Effizienz und Leistung sind zentrale Begriffe im Arbeitsleben. Bleibt genug Platz für Empathie?
Wenn hohe Anforderungen an Leistung und ein hoher Zeitdruck vorhanden sind, andererseits aber nicht ausreichend Wertschätzung gegeben wird, dann wird es belastend. Es kommt zu einer „Gratifikationskrise“. Honorierung meint nicht nur Lohn, sondern auch Lob und Weiterentwicklungsmöglichkeiten.

Sie forschen zum Thema „Arbeitskollege Roboter“: Ab wann vertraut der Mensch einem Roboter wie einem Arbeitskollegen?
Ich beschäftige mich vor allem mit dem Vertrauen in Mensch-Roboter-Interaktionen. Das ist deshalb relevant, weil es beeinflusst, wie wir uns der Technologie gegenüber verhalten. Wenn man dem Roboter zum Beispiel sehr stark vertraut, dann wird man weniger Kontrollen durchführen. Das ist zu einem gewissen Maß gut, aber wichtig ist ein kalibriertes Maß an Vertrauen, weil es in manchen Situationen sehr wohl noch notwendig ist, die Informationen, die vom Roboter gegeben werden, oder die Tätigkeiten, die der Roboter ausführt, zu kontrollieren. Hier ist die Forschung noch dabei, herauszufinden, wie man so ein kalibriertes Vertrauen herstellen kann.

Ein Beispiel?
Einem sozialen Roboter wird tendenziell ein bisschen weniger vertraut, weil gerade in unserem Kulturkreis die Vorstellung vorherrscht, dass Pflege oder andere soziale Tätigkeiten vom Menschen erledigt werden sollten. Da kann ein menschenähnliches Aussehen sogar eher kontraproduktiv sein. Manchmal wird Robotern, die eine maschinenähnliche Gestalt haben, mehr vertraut. Auch spannend: Zum Teil werden soziale Roboter in der Pflege schon in Pilotprojekten eingesetzt. Wir möchten die Beschäftigten hier fragen, wie es ihnen dabei geht. Werden Roboter als Werkzeug angesehen, das man einsetzen kann? Werden sie als Hilfsmittel gesehen, zum Beispiel, um eine halbe Stunde ein Animationsprogramm für die Bewohner zu bieten, oder werden sie als Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes wahrgenommen?