Der Kopfschmerz kommt, Schmerzmittel werden eingeworfen – und so geht es dahin, Monat um Monat, Jahr um Jahr. „Leider behandeln sich sehr viele Patienten, auch jene mit schweren Kopfschmerzerkrankungen, selbst“, sagt Anita Lechner, Leiterin der neurologischen Schmerzambulanz an der LKH-Uniklinik Graz. Dabei sollte jeder Kopfschmerz, der immer wieder auftritt oder nach wenigen Tagen nicht verschwindet, von einem Arzt abgeklärt werden.

Das sei wichtig, um auszuschließen, dass eine andere, möglicherweise fatale Ursache hinter den Kopfschmerzen steckt. Laut Gregor Brössner, Präsident der Kopfschmerzgesellschaft, gebe es ganz klare Gefahrenzeichen: Kopfschmerzen, die gemeinsam mit Fieber oder neurologischen Ausfällen wie Sehstörungen oder Schwindel auftreten, sollten ebenso sofort abgeklärt werden wie Kopfschmerzen, die sich mit sonst wirksamen Medikamenten nicht behandeln lassen.

„Auch ein Kopfschmerz, der zum ersten Mal nach dem 50. Lebensjahr auftritt, sollte den Betroffenen zum Arzt führen“, sagt Brössner. Dahinter können Erkrankungen von Hirnhautentzündung bis Schlaganfall stecken. „Vor allem, wenn jemand, der sonst nie Kopfschmerzen hat, plötzlich an sehr starken Schmerzen leidet, sollte er sofort zum Arzt“, sagt Lechner.

Schmerzmittel als Auslöser

Weiters können Schmerzmittel selbst zum Auslöser von Kopfschmerzen werden: Beim Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch kommt es durch jahrelange und zu häufige Einnahme von Schmerzmitteln zu einer Abhängigkeit: Das körpereigene System, das Schmerzen unterdrückt, arbeitet kaum noch – so werden Betroffene überempfindlich und haben ständig Schmerzen. Bei Migränepatienten sagt Lechner: „Nimmt man an mehr als zehn Tagen pro Monat drei Monate lang ein Migränemedikament ein, kann es zu diesen Kopfschmerzen kommen.“ Daher sei die Vorbeugung gegen Migräneattacken so wichtig.

Die wichtigste Vorsorge gegen Migräne ist laut Lechner: ein regelmäßiger Alltag. Unterschiedliche Schlafenszeiten, Mahlzeiten, die ausgelassen werden, Reize wie Lärm oder Licht: All das können Trigger, also Auslöser, für eine Attacke sein. Vor allem regelmäßige vollwertige Mahlzeiten seien für Patienten wichtig. Mithilfe eines Kopfschmerztagebuchs können Betroffene ihre persönlichen Migräneauslöser finden – bei Frauen sei auch der Hormonabfall vor der Menstruation ein wichtiger Trigger.

Eine weitere Form der Vorsorge: regelmäßiger Ausdauersport. Dabei sollen Betroffene laut Lechner zwar ins Schwitzen kommen, aber sich nicht völlig erschöpfen – denn das könne wiederum Auslöser für eine Attacke sein. Jene Patienten – Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer –, die an einer chronischen Migräne leiden, haben an mehr als 15 Tagen pro Monat Attacken. „Hier ist ein individueller Therapieplan besonders wichtig“, sagt Lechner.

Dazu gehören Entspannungstherapien, Bewegung und oft eine psychologische Therapie. Wie in einer Studie an der Grazer Klinik gezeigt wurde, können auch durch eine spezielle Form der Physiotherapie – Triggerpunkttherapie und Lymphdrainage – Attacken verhindert werden.
Mit der „Migränespritze“ ist nun auch ein neues Medikament für die Vorsorge verfügbar: Dahinter steckt ein spezifischer Antikörper, der in die Entstehung der Migräne eingreift. „Es ist das erste Medikament zur Vorsorge, das speziell für die Migräne entwickelt wurde“, sagt Lechner. In Studien konnte der Wirkstoff Erenumab das Auftreten von Attacken signifikant reduzieren und wurde auch gut vertragen. Von einem neuen „Allheilmittel“ wollen Experten aber nicht sprechen – es sei vielmehr eine weitere Option für Patienten, die unter schwerer Migräne leiden. Seit Kurzem ist diese Spritze, die sich Patienten mittels Pen einmal pro Monat selbst verabreichen können, in Österreich verfügbar – die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist aber noch nicht endgültig entschieden.

Habe ich Migräne?

Die häufigste Form von Kopfschmerz ist der Spannungskopfschmerz: Die Ursachen dafür können Verspannungen der Muskulatur in Nacken und Schulter sein – aber auch Fehler im Schmerzhemmsystem, psychische und genetische Faktoren werden diskutiert. „Der Spannungskopfschmerz wird zur großen Belastung, wenn er chronisch wird“, sagt Lechner. Wie jedoch unterscheidet man diese Kopfschmerzen von der Migräne?

Art des Schmerzes: Bei der Migräne ist der Schmerz stechend, pulsierend, pochend. Der Spannungskopfschmerz ist dumpf und drückend und betrifft den ganzen Kopf. Die Intensität des Schmerzes ist beim Spannungskopfschmerz geringer.

Begleiterscheinungen: Migräne-Attacken gehen meist mit weiteren Beschwerden einher: Betroffene sind licht- und lärmscheu, haben wenig Appetit und leiden an Übelkeit.

Was hilft? Bei Migräne wird der Schmerz durch körperliche Anstrengung schlimmer: Schon Stiegensteigen kann den Schmerz verstärken. Beim Spannungskopfschmerz hingegen raten Experten dazu, Bewegung zu machen, auch Physiotherapie kann helfen. Migräne-Patienten hingegen sollten bei einer Attacke sofort „Erste-Hilfe-Maßnahmen“ ergreifen: Rückzug in einen ruhigen Raum, Licht und Lärm meiden, den Kopf kühlen. Auch schmerzhemmende Medikamente sollen sofort eingenommen werden – bei leichteren Form reicht ein herkömmliches Schmerzmittel, bei schweren Fällen kommen Triptane zum Einsatz. „Leider haben viele Migräne-Patienten noch nie einen Neurologen gesehen“, sagt Lechner, „und bekommen daher nicht die beste Therapie.“