Salopp gesagt, würde Sir Arthur Conan Doyle ein Auge aufreißen: Seine legendäre Detektivfigur Sherlock Holmes mehr oder weniger zur Randfigur degradiert und das ausgerechnet von einem Mädchen! Einem sehr quirligen Mädchen, wohlgemerkt. Was war zuerst? Die Idee, die Jugendbuchreihe der US-Autorin Nancy Springer zu verfilmen, oder die perfekte Rolle für Millie Bobby Brown zu finden? Eigentlich egal. Sicher ist, die 16-Jährige gehört mit ihrer Schwester Paige zu den Produzenten. Fürs Kino geplant, hat Netflix schon im April die Filmrechte von Legendary Entertainment erworben, ab Mittwoch steht der Film zum Streamen bereit. Gut möglich, dass für den Kauf der Millie-Bobby-Brown-Faktor ausschlaggebend war, immerhin ist sie eines der Zugpferde im Netflix-Serien-Goldesel „Stranger Things“. Nun schlüpft sie nicht in die Rolle der Enola Holmes, sie ist vielmehr Enola Holmes. 16 Jahre lang war Enola mit ihrer Mutter (Helena Bonham-Carter) ein eingespieltes Team, das sich ein Universum außerhalb gesellschaftlicher Konventionen geschaffen hat. Just an ihrem 16. Geburtstag ist die Mutter verschwunden.



Und die beiden Brüder? Die sind hinderlich, nicht hilfreich. Als ruchbar wird, dass es für Enola ins Internat geht („Ich muss sie warnen, sie ist ein ungezähmtes Wesen“), nimmt sie die Suche nach ihrer Mutter selbst in die Hand. Es folgt eine rasante zweistündige Coming-of-Age-Geschichte in viktorianischer Umgebung. Enola, mit demselben detektivischen Gespür wie Bruder Sherlock gesegnet, gibt den Ton vor: nicht selten witzig, durchaus vorwitzig, manchmal bummelwitzig. Die Handlung ist vorhersehbar, es sind die Zwischentöne, die die Musik machen, und daran dürfte Regisseur Harry Bradbeer nicht ganz unschuldig sein. Er führte bei der vielfach ausgezeichneten Serie „Fleabag“ Regie und lässt auch hier seine Protagonistin ebenso direkt zum Publikum sprechen.

Ein Kniff, der ebenso gut funktioniert und der Protagonistin ein paar Sympathiepunkte mehr beschert. Einige Volten, wie die Einblendung kleiner Erklärstücke im Stummfilmstil, kennt man von Wes Anderson. Das ist kein Nachteil. In Summe klopft das Energiebündel Enola mit ihrer Frauenpower ordentlich Staub aus den veralteten Ansichten. Keine Frage, hier haben ganz klar die Frauen die Hosen an, auch wenn sie Röcke tragen. Die jungen Herren sind Feministen und Sherlock Holmes (Henry Cavill) wird emotional. „Ein Märchen!“, würde Doyle sagen. Stimmt, aber ein gutes.