Die Genese neuer Geschichten erinnert an Druiden, Zauberkessel und geheime Zutaten. Oder an Reißbretter und an Inhaltsverläufe, die das Resultat von Marktanalysen und Zugriffszahlen sind. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erahnen, mit welcher dieser Strategien Netflix seine Suche nach „the next big thing“ – der nächsten großen Sache – plant. Eine dieser großen Sachen ist zweifellos die Jugendserie „Stranger Things“, und wenig zufällig erinnert „I Am Not Okay with This“ frappant an den Mystery-Erfolg, der vermutlich erst 2021 mit neuer Staffel zurückkehrt.

Die Zutaten von „I Am Not Okay with This“ sind demnach vertraut: Die 17-jährige Sidney ist eine Außenseiterin, die Mutter überfordert und das Leben zwar keine Hochfest, aber zumindest erträglich. Sid, wie sie vom Brüderchen und der besten Freundin Dina genannt wird, hadert mit sich und dem Selbstmord ihres Vaters. Nachdem Dina sich in einen Unsympathler verliebt, lässt ihm Sid durch einen Wutanfall das Blut aus der Nase rinnen – was für alle Beteiligten, Zuschauer inbegriffen, überraschend kommt. Die Hauptfigur, die mit allen Facetten der Pubertät zu kämpfen hat, muss erkennen, dass ihre Gedanken zerstörerische Kraft haben: Wände, Bowlingkugel und einiges anderes muss in der Folge daran glauben. Einfach ist die Explosivität von Sids Emotionen als Metapher für die Unwägbarkeiten des Erwachsenwerdens zu dechiffrieren.

Großartige Sophia Lillis

Netflix schreibt keinen einzelnen Entwicklungsroman, es füllt mittlerweile eine ganze Bibliothek mit Coming-of-Age-Geschichten. Und eine zweite mit Superhelden-Geschichten gleich dazu. Das Risiko eines Ermüdungsbruchs ist freilich inhärent: Aber solange es gelingt, Jungtalente wie die 18-Jährige Sophia Lillis (Sidney) aufzuspüren, die 2017 in der Neuverfilmung des Horrorstreifens „Es“ auffiel, funktioniert das Werkl. Algorithmus und Marktanalysen tun ihr Übriges.

Apropos Personal: Nicht nur inhaltlich, auch bei der Regie setzte man bei „I Am Not Okay with This“ auf Bewährtes: Jonathan Entwistle war schon mit der ähnlich gearteten Serie „The End of the F***ing World“ erfolgreich.