Seit fast 50 Jahren stehen AC/DC für kernigen Hardrock und Gitarrenriffs mit Ohrwurmqualität. Drei Jahre nach dem Tod von Bandgründer und Rhythmusgitarrist Malcolm Young ist nun „Power Up“, das neue Album der Australier, erschienen.

Angus, wie geht’s?
ANGUS YOUNG: Ich kann nicht klagen. Ich bin aktuell in Australien, der Himmel ist blau, die Temperaturen sind angenehm.

Haben Sie die ganze Coronakrise in Australien verbracht?
ANGUS YOUNG: Yeah, ich bin schon eine ganze Weile hier. Aber wir hängen ja alle zusammen in dieser Sache drin. Ich kann wenig gegen dieses Virus ausrichten. Wir müssen wohl Geduld haben.

Die Situation rund um AC/DC schien ja vor einigen Jahren bedrohlich zu sein – ihr hattet Phil Rudd wegen seiner Drogeneskapaden aus der Band geworfen, Brian Johnson konnte nicht mehr hören, Cliff Williams verkündete seinen Rücktritt. Wann habt ihr beschlossen, ein weiteres Album zu machen?
ANGUS YOUNG: Konkret wurden unsere Überlegungen nach dem Tod meines Bruders Malcolm. Er verstarb 2017, und danach versuchte ich, mich mit Arbeit von meiner Trauer abzulenken. Ich dachte, vielleicht schreibe ich ein bisschen, halte ein paar Songideen fest, und es fiel mir ein, dass Malcolm und ich ja wirklich an sehr vielen Riffs und Songideen gearbeitet hatten. So gab es auch noch eine Menge guter Ideen, die wir beide gern mochten. Also beschloss ich, mich auf diese Ideen zu konzentrieren. Als ich der Meinung war, dass ich genug Material gesichtet und gesammelt hatte, habe ich die anderen kontaktiert.



Obwohl Malcolm nicht mehr unter uns weilt, ist er auf dem Album präsent?
ANGUS YOUNG: Ja! Malcolm ist mit jeder Menge seiner Ideen vertreten. Wir haben immer gemeinsam an Material gearbeitet, und so fühlte es sich ein bisschen so an, als wäre Malcolm noch da. Malcolm wird immer ein Teil von AC/DC sein. Alles, was ich in Sachen AC/DC je gemacht habe, machte ich mit ihm zusammen. Ich weiß genau, was er mag und wie er es mag. Ich habe ihm immer vertraut, und er hat mir vertraut. Wir haben uns blind verstanden.

„Power Up“ passt als Titel. Das Album ist wieder voller Kraft und Energie.
ANGUS YOUNG: Das war immer das Ziel von AC/DC. Seit jeher wollen wir Musik machen, die eine Menge Energie und eine Menge Leidenschaft verspritzt. Wir haben uns immer bemüht, dieses besonderes AC/DC-Feeling einzufangen.

Du spielst deine Gitarre knackig so wie seit Jahrzehnten. Hast du dir bei diesem Album spielerisch denn irgendetwas Besonderes überlegt?
ANGUS YOUNG: Ach nein, ich spiele dieselbe Gitarre wie eh und je, die Gibson SG. Ich mag diese Gitarre einfach von allen am liebsten und spiele sie praktisch bereits, seitdem wir mit der Band angefangen haben. Sie und ich, wir verschmelzen zum AC/DC-Sound.

Wie wichtig ist es für dich persönlich, dass AC/DC zu jeder Zeit wie AC/DC klingt?
ANGUS YOUNG: Das ist ganz entscheidend. Wir haben all diese Jahrzehnte mit unserem AC/DC-Sound verbracht. Wir als Band, als Musiker, sind wirklich mit diesem Sound verschmolzen. Mit allem, was wir tun, wollen wir AC/DC sein, und niemand sonst.

Was fällt dir ein, wenn du an den jungen Angus denkst?
ANGUS YOUNG: Unser neuer Song „Shot In The Dark“ ist so ein kleiner augenzwinkernder Blick auf Klein-Angus. Du kannst den Text natürlich deuten, wie immer du möchtest. Aber ich denke dabei an früher. Wenn mal einer von uns nicht gut drauf war, oder krank, speziell, als wir noch Kinder waren und vielleicht eine Erkältung oder so hatten und nicht schlafen konnten, dann kam unsere Mutter nachts zu uns ans Bett und gab uns was Schönes, Heißes zu trinken, oft mit Honig drin. Halt unseren "Shot In The Dark".

Nur Honig?
ANGUS YOUNG: Nun, manchmal krümelte sie auch Medizin rein oder gab etwas Hustensaft dazu. Das half uns dann durch die Nacht. Das war unsere Heilung. Ich hielt „Shot In The Dark“ einfach für einen prima Songtitel.

Taugt „Power Up“ als Wundermittel gegen Wehwehchen?
ANGUS YOUNG: Ich denke, Musik tut immer gut. Ich erinnere mich daran, wie ich jünger war und im Auto saß und dort zum ersten Mal einen Song hörte, den ich möchte. Das war immer ein glücklicher Augenblick. Dieses Gefühl, diese selige Stimmung wollen wir auch bei den Menschen auslösen. Die sollen einen AC/DC-Song hören und sich dabei eine kleine Flucht von der Welt erlauben.

Mit AC/DC hast du viele Menschen davor bewahrt, allzu erwachsen zu werden.
ANGUS YOUNG: Wenn ich mit AC/DC spiele, spüre ich immer noch den kleinen Bub in mir. Mein Bruder hat immer gesagt, man entdeckt als Kind, was einen glücklich macht, und wenn es optimal läuft, kann man dieser Leidenschaft sein ganzes Leben lang treu bleiben. So empfinde ich das mit AC/DC.

Du gibst bei AC/DC den zeitlosen, real aber 65-jährigen Rocker in Schuluniform. Wie stehst du dem Älterwerden gegenüber?
ANGUS YOUNG: Ich verschwende keinen Gedanken daran. Das äußere Erscheinungsbild von uns Menschen verändert sich jeden Tag ein kleines bisschen. Aber das Innere altert nicht mit. Das Innere ist fest und beständig. Ich sehe das an mir selbst: Ich habe immer noch größtenteils dieselben Gedanken und Vorlieben wie zu der Zeit, als ich jung war. Ich frage mich auch nie: Wie alt bist du denn eigentlich? Wenn, dann erinnern mich andere Menschen an mein Alter.