James Blunt ist ein umgänglicher Zeitgenosse: Der englische Sänger, der mit melancholischen Songs wie "You're Beautiful" erfolgreich wurde, scherzt gerne und ausgiebig. Auf seiner neuen Platte "Once Upon A Mind" gibt er sich zudem außerordentlich persönlich und liefert gut gemachten Radiopop. Im Interview mit der Austria Presse Agentur sprach er über Inspirationen, erhebende Gefühle und die "politische Farce" des Brexit.

Sind Sie in den Tagen vor einer neuen Veröffentlichung eigentlich noch nervös?

James Blunt: Nein. Vielleicht war ich es früher, aber wieso sollte ich es heute sein? Es ist doch so: Jemand wird mir ein paar Zahlen nennen, die können stimmen oder auch nicht. Aber das ändert nichts an der Musik. Das Album ist großartig geworden, ich liebe es wirklich. Es war eine ziemliche Reise, diese Platte zu machen - und das war sehr wichtig für mich. In meinem Leben sind viele Dinge passiert, über die ich schreiben musste. Deshalb ist das Album auch nicht für die Charts, mein Plattenlabel oder irgendjemanden sonst. Was Ende der Woche passiert, ist also egal. Klar wäre es schön, meinen Job zu behalten. Aber wenn nicht, ist das auch okay. Dann habe ich mehr Zeit zuhause. (lacht)

Für wen haben Sie das Album dann gemacht?

Blunt: Für meine Familie. Meinem Vater geht es nicht gut, meine Kinder sind noch sehr jung und ich kann oft nicht so viel Zeit mit ihnen verbringen. Für sie sind diese Songs. Ich habe also das Geld meiner Plattenfirma genommen, bin damit ins Studio gegangen und habe dieses wunderschöne Album für meine Liebsten aufgenommen. Ihnen gefällt es. Alles, was jetzt noch passiert, liegt nicht mehr unter meiner Kontrolle.

Fühlt sich "Once Upon A Mind" in gewisser Weise wie ein Debüt an?

Blunt: Ja! Es kommt von einem Typ, der es nicht für die Verkäufe, nicht für ein bestimmtes Publikum macht, sondern dem es nur um die Musik geht. Ich habe versucht, so ehrlich wie möglich zu schreiben. Genau darum geht es mir in den Songs. Und wahrscheinlich habe ich damals "Back to Bedlam" auf die selbe Weise geschrieben. Ich musste meine Gedanken sammeln und meinen Platz in der Welt finden. Ich habe die Armee mit einem Traum verlassen. Und heute bin ich zurück in der Musik, nicht im Musikbusiness.

Wie haben Sie erkannt, dass es diesmal so persönlich wird?

Blunt: Es ist eigenartig: Man kann über eine Richtung nachdenken, in die sich ein Song entwickeln soll, oder den Song einfach schreiben. Wenn Dinge um dich herum passieren und du nicht viel Zeit hast, dann grübelst du nicht lange, sondern machst einfach! Es war sehr wichtig für mich, meinem Vater etwas zu sagen. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Insofern war das Songwriting sehr natürlich und nicht zu verkopft. Was wohl auch zu diesem intensiven Ergebnis geführt hat. Dieses Album ist aus einer Notwendigkeit heraus entstanden.

 Ihr Vater ist schwer krank, Sie haben ihm den Song "Monsters" gewidmet. Ist es schwer, so ein Stück mit anderen zu teilen?

Blunt: Es ist eine großartige Möglichkeit für mich, mit meinem Vater durch dieses Lied zu sprechen. Es gibt Dinge, die ich ihm wahrscheinlich nie von Angesicht zu Angesicht sagen könnte. Wir stehen uns zwar sehr nahe, aber so etwas machen wir nicht. Ich bin einfach zu zurückhaltend - und er auch. Aber nun singen zu können "Ich bin nicht dein Sohn, du nicht mein Vater, wir sind nur zwei erwachsene Männer, die sich Auf Wiedersehen sagen" - das ist unglaublich intensiv für mich. Ich weiß es zu schätzen, so einen Song zu veröffentlichen. Ihn live zu performen, ist erhebend und eine der positivsten Erfahrungen, die ich je machen durfte. Oft werde ich über die Negativität gefragt, die meinen Liedern online entgegenkommt. Was zum Teufel soll das heißen? Ich kann das für tausende Menschen spielen, die eine sehr emotionale Bindung dazu aufbauen. Das ist doch einfach großartig! Nur Musik kann die Menschen auf diese Weise zusammenbringen. Jeder Politiker würde für diese Fähigkeit töten.

Fiel Ihnen das Teilen Ihrer Emotionen und Empfindungen immer so leicht?

Blunt: Na ja, ganz ehrlich: Wieso sollte ich über ein schnelles Auto oder Ähnliches singen? Stattdessen bist du auf einer Bühne vor tausenden Fremden und stehst dort ohne Angst, ohne Filter, ohne Scham und entledigst dich deiner Jacke, deiner Kleidung, deiner Haut, deines Fleisches und öffnest deine Seele. Es braucht viel Kraft und Mut, das zu tun, aber es ist unglaublich lohnend!

Sind Sie noch auf der Suche nach Dingen, die Sie nie ausprobiert haben?

Blunt: Ich habe begonnen, Musik zu machen, weil sie mich bewegt hat. Mit dem Erfolg von "You're Beautiful" wurde ich Teil der Musikindustrie und habe Songs für ein Publikum geschrieben. Mein wahres Ich war da oft versteckt, ich habe diesen Teil von mir zurückgehalten. Jetzt bin ich wieder da. Ich versuche gar nicht, etwas Neues zu machen. Ich habe aber gelernt, dass ich ehrlich sein muss. Ich bin mit diesem Album Risiken eingangen, besonders in den Texten. Aber diese Wahrheit ist aufregend.

"Once Upon A Mind"
"Once Upon A Mind" © WMG

Abschließend noch eine Frage zu einer schier endlosen Causa: Wie sehen Sie die Situation rund um den Brexit?

Blunt: Es ist eine politische Farce auf allen Seiten - nicht nur, was das britische Parlament betrifft, sondern auch die EU. Ich lebe auf Ibiza, verbringe viel Zeit in der Schweiz, komme aus Großbritannien und toure durch ganz Europa. Es wird mehr Papierkram für mich bedeuten. Ich bin es eigentlich gewöhnt, immerhin war ich in der Armee. Politiker sind großartig darin, Scheiße zu bauen und trotzdem ihren Job zu behalten. Wir als Zivilgesellschaft werden die Scherben aufsammeln müssen. Und um diese Stümperei zu feiern, veröffentliche ich am 25. Oktober mein Album. (lacht)