Mehr als ein Jahrzehnt nach ihrem letzten großen Film hat die 86-jährige Sophia Loren wieder eine Hauptrolle übernommen. Für das Netflix-Drama „Du hast das Leben vor dir“, basierend auf einem Roman von Romain Gary, kehrt die italienische Grande Dame in der Regie ihres Sohnes EdoardoPonti zurück vor die Kamera und beweist, dass ihr Charisma altersunabhängig, ihre Strahlkraft auch nach langer Karriere ungebrochen ist.

Die italienische „Mamma Nazionale“ mimt Madame Rose, eine frühere Prostituierte, die sich in einer süditalienischen Hafenstadt um die Kinder anderer Prostituierter kümmert und sie bei sich aufnimmt. Ihre unorthodoxe Wohngemeinschaft erhält Zulauf, als der provokante Momo einzieht, ein Waisenknabe mit senegalesischen Wurzeln. Der Zwölfjährige, mitreißend gespielt von Ibrahim Gaye, verdient sein Geld als Drogendealer, während er langsam die wohlverdrängten Geheimnisse seiner Ziehmutter kennenlernt.

Womit sich sehr unterschiedliche Themen zu einem berührenden Bild vermengen: Migrationsgeschichte trifft auf Holocaust-Erinnerungen, kombiniert mit Mafia-Kriminalität und italienischem Flair. Was daraus entsteht, ist lebensbejahend, in seiner Fragilität zart und in seiner Naivität beglückend. „Du hast das Leben vor dir“ will, wie der Titel schon erahnen lässt, ein leichter, hoffnungsvoller Film sein. Die inhaltliche Schwere ist mit gemeint, muss nicht explizit dargestellt werden.

Ponti inszeniert einen schnörkellosen, klassisch angelegten Film mit humanistischer Botschaft: Die Überwindung der kulturellen Differenzen gelingt durch basale menschliche Notwendigkeiten wie Liebe und Vertrauen. Loren spielt in diesem schlichten und wohlmeinenden Gefüge die verletzbare Ersatzmutter mit überzeugender Grandezza.