Wir erleben heuer in Österreich eine Zeitenwende“, brachte es ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz gestern bei den Österreichischen Medientagen auf den Punkt. Im Rahmen des Branchentreffens wurde am Mittwoch die „Bewegtbildstudie 2020“ vorgestellt. Die darin verbürgte und von Wrabetz angesprochene Zeitenwende: Erstmals liegt in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen die Reichweite des nonlinearen Angebots höher als jene des klassischen Fernsehens. Verkürzt: Streaming überholt Fernsehen, Youtube statt ORF.

Die Digitalisierung ist bei den Medientagen nicht bloß ein Schlagwort: Weil Wien in Deutschland als Corona-Risikogebiet deklariert wurde, nahmen zahlreiche Diskussionsteilnehmer per Video-Zuschaltung teil. So auch ZDF-Intendant Thomas Bellut und SRF-Generaldirektor Gilles Marchand: Letzterer verweist darauf, dass in der Schweiz 34 Prozent der Menschen keinen Fernseher mehr nutzen würden. In fünf Jahren würde der Wert bei 50 Prozent liegen, prophezeit Marchand. Im Gegensatz zum ORF verfügen ZDF und SRF bereits jetzt über die gesetzlichen Möglichkeiten, Inhalte ausschließlich für die eigenen oder externe Plattformen wie Youtube zu produzieren beziehungsweise Inhalte zuerst online auszuspielen. Dies treibe die Online-Nutzung enorm nach oben, betont Bellut.

Diese Überwindung der klassischen Strukturen wird in Österreich frühestens mit der Novellierung des Mediengesetzes möglich sein. Bis dahin befasse man sich mit „Trockentraining“, erklärte Wrabetz lapidar und fügte hinzu: „Da sind wir jetzt eh schon länger.“

ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker
ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker © APA/GEORG HOCHMUTH

Nico Hofmann, Chef der Filmfirma UFA, ist überzeugt, dass langfristig beide Welten, öffentlich-rechtliche und die Streamingwelt, überleben würden. Zugleich würde sich das Angebot diversifizieren, damit jedes Publikum sein Programm findet: „Das Erfolgsformat der Zukunft wird immer spezieller werden." Ähnlich lautend der Befund von Beta Film-Geschäftsführer Jan Mojto: „Durch die Fragmentierung des Marktes ist Platz für verschiedene und viel präzisere Formen.“

Für den außergewöhnlichsten und stärksten Beitrag sorgte Puls4 mit Markus Breitenecker: Statt den angekündigten "Reflexionen eines Medienmachers" machte der Senderchef Rassismus, Feminismus, Migration und Hate Speech zum Thema und überließ seinen Puls-Kollegen und Kolleginnen das Wort: Unter anderem las Wettermoderatorin VerenaSchneider aus sexistischen, beleidigenden, verletzenden Zuschriften vor, die sie als öffentliche Person erhalte. „Hass im Netz ist die Realität", betont Schneider.

Die Medientage dauern noch noch bis Donnerstagabend und sind per Livestream öffentlich zugänglich.

Zahlen aus der Bewegtbildstudie

Die Bewegtbildstudie zeigt, wie rasant sich das Nutzerverhalten ändert: Seit 2016 halbierten sich bei den Jungen die Marktanteile des linearen Fernsehens. In der Gesamtbevölkerung sank der Wert von 83 auf 69 Prozent.

Die allgemeine Nutzungsdauer hat sich hingegen im Jahresvergleich deutlich erhöht: Durchschnittlich verbringen die Österreicher täglich 248 Minuten mit Bewegtbild – 29 Minuten mehr als bei der letzten Erhebung. Bei den über 50-Jährigen sind es täglich im Schnitt 278 Minuten (davon 242 Minuten klassisch linear), bei den 14- bis 29-jährigen 240 Minuten (davon 80 Minuten linear).