Stinkefinger gegen das Corona-Virus. Zumindest bei den Salzburger Festspielen und beim ORF. Denn das weltberühmte Festival in Salzburg findet, wenngleich in reduzierter Form, nun doch statt. Und der ORF wirft sich auf beeindruckende Art und Weise in die Schlacht, mit mehr als 130 Stunden Programm in Fernsehen und Radio plus einem umfangreichen Online-Angebot.

Den Status quo betrachtet ORF-Capo AlexanderWrabetz als großen Erfolg, denn ob der Corona-Pandemie war ja ursprünglich nur die Übertragung des „Jedermann“ zu dessen „Geburtstag“ geplant: „Nun aber wird es, angesichts der widrigen Umstände, eine in jeder Hinsicht einmalige Saison, und wir können den Zusehern zum Beispiel auch die beiden großen Opern ‚Elektra’ und ‚Cosi fan tutte’ – erstmals bei den Festspielen ein Opernabend mit einer Frau, Joana Mallwitz, am Pult der Wiener Philharmoniker – bieten. Der ‚Jedermann’ kommt übrigens bereits am 1. August, live-zeitversetzt, auf die ORF-2-Bildschirme. Gleich nach dem vom Salzburger Landesstudio produzierten Magazin ‚Jedermannjedefrau’ und dem gemeinsam mit BR und ARTE realisierten Magazin ‚Das große Welttheater – Salzburg und seine Festspiele’.“

Philipp Hochmair klärt auf

Besonders freuen darf man sich unter anderem zum Beispiel auch, am 1. August, auf die von Beate Thalberg gestaltete Spiel-Dokumentation „Das große Welttheater – Salzburg und seine Festspiele“, in der FlorianTeichtmeister einen gewissen FranzSwatosch, den langjährigen Diener von Festspiel-Mitbegründer Max Reinhardt, mimt. „Der Florian“, lobt TV-Direktorin Kathi Zechner, „spielt diesen Swatosch hinreißend. Er rollt die historischen Ereignisse vom Gründungsjahr 1920 an in Rückblenden auf, mit einem Ausblick auf die Gegenwart. Nicht nur, dass das Publikum hochwertig aufbereitetes, kostbares Archivmaterial zu sehen bekommt, sondern es erlebt auch eine virtuelle Tischgesellschaft rund um Max Reinhardt. Nicht mit Schauspielern, sondern mit den ‚echten’ Persönlichkeiten“. Die moderne Technik macht’s möglich.

Spannend ist gewiss auch die Doku „Philipp Hochmair – Eine Reise mit Jedermann“ (bereits am 27. Juli um 23.10 Uhr), in der Hochmair Einblick gibt, wie er sich mit seiner Band „Die Elektrohand Gottes“ auf ganz persönliche Art und Weise dem Traditionsstück nähert, diese Variante hat er ja bereits als rockige Einmannversion vielfach gespielt.

Am 2., 3. und 15. August (da nur auf 3sat) taucht Werner Horvath mit „Eine Stadt als Bühne – 100 Jahre Salzburger Festspiele“ anhand von Archivschätzen in die Vergangenheit der Festspiele, ebenso Kathi Zechner mit ihrem Team und dem trimedialen Projekt „100 pieces“, in das man sich bereits vor Festivalbeginn online (ORF.at/100 pieces) einstimmen kann. Da erlebt man zum Beispiel Szenen mit Alexander Moissi, dem allerersten „Jedermann“, den Ärger von Curd Jürgens bei einer „Jedermann“-Probe („Jetzt hab’ ich es verschissen“) oder Claus Peymanns „Fliegenkrieg“ anlässlich seiner Inszenierung von Thomas Bernhards „Theatermacher“ im Landestheater. Da ließ Peymann anfragen, ob man auf der Bühne bei einem Misthaufen nicht entsprechend viele Fliegen herumfliegen lassen könne, weil sich die an solchen Stätten bekanntlich sehr wohl fühlen. Peymann scheiterte – wegen der Hygienevorschriften – an den Behörden. Siegbert Stronegger, Chef des Landesstudios Salzburg, setzte den Spaß mit einem Pamphlet vor dem Landestheater fort, in dem er den Behörden versicherte, man wolle die Fliegen zuvor eh isolieren und impfen…

24-stündige Monsterreportage

Weitere besonders sehenswerte Übertragungen von den Festspielen sind gewiss das Konzert der Wiener Philharmoniker unter der Stabführung von Riccardo Muti und ein Mahler-Konzert der Philharmoniker unter AndrisNelsons, zwei „kultur Montag“-Ausgaben am 27. Juli und 3. August live aus der Festspielstadt, das Porträt „Happy Birthday Franz Welser-Möst“ anlässlich des 60. Geburtstages des Dirigenten und Aufzeichnungen der legendären Aufführungen von „La Traviata“ und HarryKupfers Inszenierung von „Der Rosenkavalier“.

Jan Mojtos Klassikplattform „fidelio“ (myfidelio.at) bringt heuer in Zusammenarbeit mit UNITEL und Arte nicht nur tägliche Live-Übertragungen vom Hundertjahres-Jubiläum der Festspiele, sondern zeigt auch mehr als 160 hochkarätige Produktionen und Programme von 1954 bis heute. Die aktuellen Sendungen kommen teils in Ultra-HD (vier Mal bessere Auflösung als das normale HD) auf die Bildschirme.

Das Radio stieg vor 95 Jahren erstmals in die Salzburger Festspiele ein, und zwar mit einer „Monsterreportage“, einer Sendung, die 24 Stunden dauerte. Dies wird heuer, am 18. Juli, mit einem „Ö 1 Festspieltag“ wiederholt.

Große Freude hat Präsidentin Helga Rabl-Stadler mit dem letztendlich doch zustande gekommenen „schönen Teil eines Jubiläumsprogramms“, denn für sie sind Festspiele auch eine „Begeisterungsgemeinschaft mit dem Publikum“, eine Begeisterungsgemeinschaft, zu der heuer laut Kathrin Zechner „Vernunft, Leidenschaft und Zuversicht“ gehören. Aber erst am 31. August wird man, so Rabl-Stadler, wissen, ob alle Pläne aufgegangen sind.

Momentan herrscht hinter den Kulissen vor allem administrativer Hochbetrieb, denn es müssen nicht weniger als 180.000 Tickets „rückabgewickelt“ werden. Vorrang haben dabei Besucher, die bereits Karten erworben haben. Ihnen wird man ein „entsprechendes Angebot“ machen, die Neuaufteilung läuft dann ab 13. Juli. Die Präsidentin: „Wir haben ein 50seitiges Präventionskonzept entschieden, wobei wir uns für ein Schachbrett-Muster entschieden haben. Jeder zweite Platz muss frei bleiben. Wir haben auch ein Konzept ausgearbeitet, wie wir, wegen Corona, die Besucherströme entzerren, um Nahkontakte zu vermeiden. Daher wird es auch keine Vorstellungspausen geben. Und auf den Tickets stehen jeweils die Namen der Bezieher, im Fall des Falles muss man sich ausweisen können.“

Und falls es, was sich keiner wünscht, während der Festspiele doch zu einer zweiten Corona-Welle kommt? Dafür gibt es, laut Helga Rabl-Stadler, klare Regelungen. Für allfällige Probleme stehen Ärzte, Virologen und Immunologen sowie die Sanitätsbehörden der Stadt täglich Gewehr bei Fuß.

Intendant Markus Hinterhäuser: „Ich glaube, wir haben in den letzten Wochen wesentlich dazugelernt, auch in ständigen Absprachen mit den Behörden. Unsere Vorsichtsmaßnahmen sind deutlich und präzise. Wir müssen dabei einen vernünftigen Realismus an den Tag legen“. Für alle Fälle hat sich Hinterhäuser ein Zitat von Karl Valentin an die Wand geheftet: „Hoffentlich wird es nicht so schlecht, wie es schon ist. . .“