Gerade Menschen in freien Berufen berichten von Schwierigkeiten im Lockdown. Wie erleben Sie diese Zeit?

CONSTANTIN LUSER: Wenn die ganze Welt stillsteht, muss man auch selber kurz den Atem anhalten. Für manche ist der Stillstand der Welt vielleicht das Ventil, das sie brauchen. Die kommen in einen Arbeitsrausch, wenn sie sich mit ihrer Fantasie auf engem Raum aufhalten. Meine Frau und ich sind eher aus unseren Arbeitsroutinen raus und familiären Pflichten nachgegangen. Ich habe vor dem Lockdown recht viele Arbeiten gemacht und hatte im Sommer Ausstellungen fast nur in Österreich und in München. Für mich war das also so was wie ein nationales Jahr, und das war eh das einzig mögliche.

Sie stellen sonst international viel aus. Wie steht’s aus Ihrer Sicht allgemein um den Ausstellungsbetrieb?

Der war und ist extrem beeinträchtigt. Für die wenigen österreichischen Galerien, die international agieren und auf Kunstmessen fahren, ist alles komplett flachgefallen. Der ganze Messezirkus, der immer gigantischer und absurder wurde, hat sich kurzfristigst komplett aufgelöst.

Wird das wieder?

Die Auswirkungen werden sich erst zeigen. Die Kunstmessen in Wien haben stattgefunden, wenn auch in reduziertem Maß. Die Stimmung ist halt anders. Da bildet sich ja ab, ob eine Gesellschaft prosperiert und die Leute Kapital haben, um es in Kunst anzulegen, oder ob eine generelle Ängstlichkeit das Klima bestimmt. Trotzdem ist es wichtig, dass es weitergeht und ein Zeichen gesetzt wird.

Wird sich der Kunstbetrieb wieder erholen?

Das hinterlässt alles Spuren. Und es gab ja schon ein Galeriensterben. Die großen Galerien sind gewachsen, haben sich internationalisiert, viele mittelgroße haben geschlossen. Die kleinen sind auf lokalen Märkten und Kunstszenen noch da, aber die Kluft ist größer. Die Messen werden teurer, und für Galerien ist das finanzielle Risiko zu groß, wenn nur der Stand 30.000, 50.000 Euro kostet.

Fällt mit weniger Global Playern für Künstlerinnen und Künstler die internationale Repräsentation aus?

Das war schon vorher zu spüren, und mit Lockdown und Reisebestimmungen ist ohnehin alles erschwert. Aber genauso wie Ausbildungsstätten gehört die Galerienszene zum kulturellen Leben, also ist Kreativität gefragt, wie man den Betrieb am Laufen halten kann. Es ist überhaupt eine Zeit des totalen Wandels mit Risiken und Chancen. Wir hätten niemals für den Klimaschutz den Flugverkehr für drei Monate lahmgelegt, das war ausgeschlossen. Jetzt haben wir die abstrakte Situation, dass wegen dieses kleinen Mikroorganismus die ganze Welt stillsteht. Wir sind ein bisschen entschleunigt, und wenn man da Ruhe für neue Ideen findet, ist das sicher von Vorteil.

Lusers Vibrosaurier: Kennzeichen Interaktivität
Lusers Vibrosaurier: Kennzeichen Interaktivität © UMJ

Bewegt Sie das Virus, der Stillstand eigentlich künstlerisch?

Eher weniger, das wird eh an vielen Orten aufgegriffen. Aber natürlich hinterlässt das Spuren, wenn das Nachtleben ausfällt, die Künstlerlokale zu sind, wenn der Unibetrieb nur digital stattfindet. Wenn man sich gar nicht mehr austauschen kann. Auch auf Messen passiert ja wahnsinnig viel auf persönlicher Ebene, da geht es nicht nur darum, dass man die Arbeit verkauft. Das alles auf den digitalen Raum herunterzubrechen, wird schwer. In letzter Konsequenz müsste wohl die Arbeit anders aussehen, wenn man sie digital präsentiert. Oder vielleicht braucht man von jedem Objekt High-Quality-Clips, die in Ausstellungen nur gebeamt werden, als Scheinobjekte.

Aber gerade Ihre Skulpturen haben großen haptischen Reiz und laden zur Interaktivität, zur räumlichen Erfahrung, zum Hingreifen, Durchsteigen ein. Wenn ich mich richtig erinnere, war Ihre Personale im Grazer Kunsthaus 2016 genau darauf aufgebaut.

Man konnte in eines der Objekte sogar reintröten. Aber so ein Gruppeninstrument mit dem immer gleichen Mundstück wäre jetzt natürlich der Superspreader Nummer eins.

Sich nicht mehr auf gewohnte Abläufe, Techniken, Zugänge verlassen zu können, ängstigt das?

Nein, ich denke, das ist temporär und absehbar, dass diese Phase dann mit dem Impfstoff erledigt ist. Es wird sich wieder lösen, aber es hinterlässt halt grobe Erfahrungen und grobe Spuren. Und manche Bögen, die zu überspannt waren, reißen.

Wie wird dann Ihr 2021?

Ich sehe dem nächsten Jahr gelassen entgegen, auch wenn es einige Tricks und Bemühungen brauchen wird, um da gut durchzukommen. Ich habe ein paar Projekte, über die ich noch nicht viel sagen kann. Sonst muss ich mir halt was Neues ausdenken.