Paranoia TV News

Der steirische herbst ist heuer ein Fernsehsender - und natürlich benötigt Paranoia TV auch eine Nachrichtensendung. Bei Paranoia TV heißt der Anchorman Rupert Lehofer. Der Schauspieler stellt mit übertrieben gedehnter Theaterstimme einzelne Projekte vor, besucht Ausstellungen und spricht mit den Akteuren. Das Nachrichtenformat ist eine erhellende Ergänzung zum Paranoia-Kanal – auch, weil Lehofer sich kritische Anmerkungen zum Programm nicht verkneift. Nur das Gespräch mit dem Sigmund-Freud-Avatar ist jeweils immer eher bemüht komisch. Im zweiten Teil der 20-minütigen Sendung gibt es ausführliche Künstlergespräche.
www.paranoia-tv.com

Keep in Mind

Erklärungsbedarf haben Besucher eventuell nach der Performance „Keep in Mind“ von Alexander Chernyshkov. Das Publikum wird in Gruppen durchs Grazer Orpheum geführt, wo es kleinen Solo-Performances beiwohnt, bevor das Ensemble im Kleinen Saal zusammenfindet. Das ist anfangs charmant: Sowohl der Tanz des Filmprojektors als auch das Beinahe-Zwiegespräch eines Sängers mit einem Scheinwerfer behandeln Momente des Theatralischen leicht und anmutig.

Im anschließenden Hauptstück vollbringt man Szenen und Gesten des performativen und musikalischen „Geschäfts“, die aufeinandertreffen, voneinander abprallen und sich zusammenfügen, wobei alles gemeinsam letztlich genauso rätselhaft wie monoton-unsinnlich bleibt. Hart an der Grenze zur Selbstparodie.
Keep in Mind.Heute, 18 Uhr. Orpheum Graz. Ausverkauft.

Hautfront

Zu Anfang hört man laute Atemzüge, dann schält sich aus dem Dunkel flaumiges Fleisch: eine Ohrmuschel. Dann ein Mund hinter einem Coronavisier. Gesichter und Körper, Frauen, die gemeinsam faltigen, weichen Teig bearbeiten. „Hautfront“ heißt das Video der deutschen Künstlerin Anna Witt, entstanden in gemeinsamer Arbeit mit Frauen aus Feldbach und Graz. Während die Kamera Körper und Teig abtastet, erzählen Stimmen aus dem Off von der erlebten „Luxusquarantäne“ und dem Paradoxon einer digital geteilten Isolation.

Die Erfahrung der Pandemie, den Umgang mit ihrem medialen Rauschen und die flächendeckende Brotback-Obsession im Lockdown verknetet die Video-Performance mit Reflexionen über die Folgen der Seuche und eine Politik, die versucht, Probleme wie die im Zuge von Corona überdurchschnittlich angestiegenen Frauenarbeitslosigkeit zu „privatisieren“.

Dabei erzählt die Körperlichkeit der Bilder von einem Bedürfnis nach Gemeinschaft, das auch schon vor Corona nicht eingelöst worden ist. Das Video, jüngst in zwei Screenings auf das ehemalige Hexengefängnis Tabor in Feldbach und auf die Grazer Rösselmühle projiziert, kann auf Paranoia TV gestreamt werden.
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Privater EU-Grenzzaun

Ein sechs Meter hoher, stacheldrahtgekrönter Zaun vor einem Anwesen in der Grazer Zwerggasse: Man könnte das auch für das Abschottungswerk eines verschreckten Spinners halten. Es ist aber eine Installation der Künstlerin Catrin Bolt, die mit ihrem „Privaten EU-Grenzzaun“ dort eine Intervention an der Grenze von persönlichem und öffentlichem Raum setzt. Das düstere Objekt, den Grenzzäunen an Europas Rändern nachempfunden, erzählt hier, mitten in einem Bürgerviertel, auch davon, wie sich die politische Diskussion verschiebt: Wo steht eigentlich der gesellschaftliche Diskurs, wenn eine private Verbarrikadierungsinitiative in der Grazer Innenstadt gar nicht mehr wirklich überrascht? Das Projekt des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum (KiöR) zählt zum sehenswerten Parallelprogramm des herbsts – und illustriert als einer der eindrücklichsten, sichtbarsten Festivalbeiträge die Auswirkungen der Paranoia unserer Tage.
Bis 24. Oktober.