"Über sieben Brücken musst du gehen“, singt der deutsche Liedermacher Peter Maffei. Geht es nach dem Kärntner Fotografen, Künstler und Journalisten Gerhard Leeb, dann sollten seine Landsleute in den kommenden Monaten sogar über ein Dutzend Brücken gehen, oder wenigstens daran vorbeiradeln. Konkret handelt es sich um zwölf gut frequentierte Drauübergänge, die inmitten jener Gegend liegen, wo vor 100 Jahren über die Zukunft Kärntens abgestimmt wurde. Einst waren sie „Bridges over Troubled Water“, um mit einem anderen Gassenhauer zu sprechen, heute sind sie Symbole der Einheit und kulturellen Verbundenheit zwischen den Volksgruppen, was Leeb im Rahmen der Jubiläumsreihe CarinthiJa2020 quer durch Kärnten mit künstlerischen Mitteln erfahrbar machen möchte.

Brückenbauer und Initiator von "Brücken bauen – Gradimo mostove": Gerhard Leeb (67)
Brückenbauer und Initiator von "Brücken bauen – Gradimo mostove": Gerhard Leeb (67) © kk

„Coronabedingt war es eine enorme Herausforderung für unseren kleinen Verein in fünf Wochen – mit den entsprechenden Auflagen – zwölf Vernissagen über die Bühne zu bringen“, zieht Leeb ein erstes Resümee. Nach dem verspäteten Start mit Gustav Januš und Larissa Tomassetti auf der Draubrücke von Rosegg hat das vom Land Kärnten mit 80.000 Euro unterstützte Unternehmen vor einer Woche bei Tainach seinen vorläufigen Abschluss gefunden. Hier hatte die Künstlerin Melitta Moschik eine zweisprachige Hinweistafel aufgestellt, die den grenzüberschreitenden Grundgedanken des gesamten Projektes mit wenigen Worten auf den Punkt bringt: „Geeintes Kärnten – Vereintes Europa“.

Elf Brücken wurden bisher ihrer kulturellen Bestimmung übergeben. Im Herbst folgen noch Projekte der HAK Völkermarkt beim Kraftwerk Annabrücke und der HTL Ferlach beim dortigen Verbund-Kraftwerk sowie die Völkermarkterbrücke mit Arbeiten von Guido Katol, Susanne Riegelnik und Gertrud Weiss-Richter.

Die bisherigen Erfahrungen, die Gerhard Leeb als „Pontifex Maximus“ – sprich oberster Kärntner Brückenbauer – machte, waren ausschließlich positiv: „Als gelernter Kärntner wäre ich schon froh gewesen, dass mir keine Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Was sich aber rund um das Projekt ,Brücken bauen – Gradimo mostove‘ abgespielt hat, hat das Bild von meiner Heimat völlig auf den Kopf gestellt“. Überraschend sei vor allem gewesen, dass Zweisprachigkeit für die meisten Landsleute längst „eine Selbstverständlichkeit“ sei. Sponsoren wie Verbund und Raiffeisen hätten damit „ebenso wenig Probleme“ gehabt wie die jeweiligen Bürgermeister oder Amtsleiter. Leeb: „Mein Traum, dass im Zuge des Projektes auch psychologische und menschliche Brücken entstehen, wurde Wirklichkeit. Nach 100 Jahren des gegenseitigen Aufrechnens ist deutlich zu erkennen, dass die Mehrheit an den alten Konflikten kein Interesse mehr hat – in beiden Volksgruppen.“ Selbst der einzige Bürgermeister, der das Projekt für „Unruhe stiftend“ gehalten habe, sei zur Vernissage an die Seidendorfer Brücke gekommen, freut sich Leeb, der nie müde wird zu betonnen: „Wir sind nicht für unsere Väter oder Großväter verantwortlich. Aber für jede Minute, in der wir leben“.

Brücken statt Gräben bauen

Besonders schön findet der gebürtige Bodensdorfer, dass sich auch die slowenische Gemeinde Dravograd an dem Projekt beteiligte und trotz  unterschiedlicher Geschichtsauffassung eine Brücke nach Kärnten schlug, übrigens mithilfe von zwei Künstlern, die das Verbindende schon in ihren Namen tragen: dem Slowenen Feliks Frühauf und dem Kärntner Helmut Blažej. Auch sei es im Zuge des Projektes zur „erstmaligen Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden Lavamünd und Neuhaus“ gekommen - ein Kuriosum für sich.

Dass sich Leeb dabei nichts schönredet, zeigt allein der Umstand, dass „die meisten Bürgermeister haben wollen, dass die Kunstbrücken in dieser Form auch noch in den kommenden Jahren zu sehen sind“. Für den 67-jährigen Kulturarbeiter steht jedenfalls schon vor Abschluss des Projektes fest: „Es zieht sich erstmals ein weithin sichtbares zweisprachiges Band durch unser Land, das die Gemeinsamkeiten unterstreicht. Ich hoffe, dass es dadurch für fundamentalistische Grüppchen auf beiden Seiten schwerer wird, an der Tradition des Gräbenbauens festzuhalten“.

Mehr Infos und weitere Termine  von „Brücken bauen – gradimo mostove“ siehe www.carinthija2020.ktn.gv.at