Es war wie die perfekt inszenierte Schlusspointe: Im Sonnenuntergangsrot erhob sich ein Pfau, flog über das Eingangstor von Schloss Prinzendorf im Weinviertel und geleitete die Gäste mit aufgerissenen Augen hinaus. Der gut aufgelegte Gastgeber Hermann Nitsch hatte davor im Hof den Vorsitz an einer langen Tafel inne. Bei panierten Steinpilzen, Tafelspitz und Weißwein in Dopplern aus seinem Weingarten plauderte der 81-Jährige, den alle nur „Nitsch“ nennen und duzen, über seine neue Ausstellung und sein geplantes 6-Tage-Spiel Ende Juli 2021 auf dem Areal.

Schloss Prinzendorf mit langer Tafel
Schloss Prinzendorf mit langer Tafel © Julia Schafferhofer

Dabei soll sich das Konzept seines Orgien Mysterien Theaters zu einem „gemeinsamen orgiastischen Zustand des intensiven Sein-Erlebnisses“ 23 Jahre nach der ersten Realisierung noch verdichten – als Höhepunkt seines international erfolgreichen, aufsehenerregenden und angefeindeten Schaffens.

Der "Schüttboden" von Hermann Nitsch
Der "Schüttboden" von Hermann Nitsch © Julia Schafferhofer


Schon am „Schüttboden“, seinem Arbeitsplatz im Obergeschoss des Schlosses, fielen sie neben den roten Schütt- und Rinnbildern auf – die neuen pastosen Bilder seiner 81. und 82. Malaktion. Auf den ersten Blick offenbaren sie neue Klänge des Universalkünstlers, auf den zweiten Blick stellen sie eine konsequente Fortsetzung, eine Vollendung seines Farbspektrums dar. Zartrosa, hellviolett, Orange, Grün und Milchiges Gelb, mit den Händen bearbeitet. Sie seien dem „Sonnen- und Blumenlicht verpflichtet“. Altersmilde? Von wegen. „Die Bilder sind kein Abschwören. Im Gegenteil!“, sagt Nitscha. „Ich möchte mich mit dieser Ausstellung berauschen an Blumenfarmen und frischer, gesunder Luft“ heißt es im Katalog.

© Renate Heger


Der Meister selber spricht von „Blumenfleisch“ und wenn er erklärt, dass seine Malerei sehr viel mit der „Ausweidung eines Tieres“, dem „Wühlen in Farbschleim“ und dem „Kneten von Farbe“ zu tun hat, dann leuchten auch seine Augen.„Es ging mir damals wie heute um die Substanz und um die Materie der Farbe“, erklärt Nitsch. Nachsatz: „Ich hoffe sehr, dass sich auch mein bildnerisches Werk weiter zu glühender, klingender Farbigkeit entwickelt.“


Im Museum in Mistelbach, das ab 1. Juli wieder aufsperrt, hängen die pastosen Werke an Wänden oder sind am Boden arrangiert - neben Priestergewändern, Taschentüchern, Zuckerwürfeln und Gladiolensträußen. In der Kapelle erfährt man, wie sich all das zu einem eindringlichen Gesamt-Erlebnis fügt: Mithilfe eines Spektogramms werden Töne und Frequenzen von Nitsch-Sinfonien visualisiert.

Ein Blick in die neue Ausstellung "Nitsch. Neue Arbeiten" in Mistelbach
Ein Blick in die neue Ausstellung "Nitsch. Neue Arbeiten" in Mistelbach © APA/WOLFGANG HUBER-LANG


„Ich bin einen langen Weg gegangen und bin jetzt da angekommen“, bilanziert Nitsch. Dass er weiter arbeitet, steht außer Zweifel. „Was soll so ein alter Depp auch sonst machen?“, grantelt er. Um freundlicher nachzuschießen: „Mir macht es Freude.“ Und: „Ich bin sehr lebensbejahend.“