Sag mir etwas, das nicht verschwindet“, heißt es in einem späten Gedicht von Alfred Kolleritsch. Die Antwort fällt, angesichts seines Todes, schwer. Und doch ist sie naheliegend und tröstlich zugleich. Er selbst ist es, der, nach langer Krankheit, heroisch bekämpft und nicht selten mit Ironie abgetan, bleiben wird. In einer Nähe und Innigkeit, die jetzt, da so vieles sich als unabänderlich zeigte, noch an Intensität dazugewonnen haben.

„Man kann sein, ohne da zu sein“, sagte demgemäß auch Andreas Unterweger in seiner Trauerrede in der Murecker Stadtpfarrkirche. Mehr als 400 Trauergäste kamen, um von Alfred Kolleritsch, der am 29. Mai im Alter von 89 Jahren starb, Abschied zu nehmen. Mit Alfred Kolleritsch verlor die deutschsprachige Gegenwartsliteratur eine herausragende Persönlichkeit, sei es als Dichter, als Schirmherr, als Entdecker und Förderer.

Kaum zu zählen ist die Zahl all jener Dichterinnen und Dichter, denen Alfred Kolleritsch als „lehrender Literat, der stets ermutigte“ (so Barbara Frischmuth), am Beginn ihrer Karriere zur Seite stand. Jahrzehntelange Freundschaften wurden oft daraus, so auch zu Elfriede Jelinek und Peter Handke, die es zu Literaturnobelpreisen brachten.

„Deine Wörter schweben nah am Erdboden, man spürt beim Lesen allerschönste Schwerkraft, schweres Schweben“, würdigte Peter Handke einmal die Gedichte seines Freundes, der 1931 in Brunnsee, nur wenige Kilometer von Mureck entfernt, zur Welt kam und maßgeblichen Anteil daran hatte, dass Graz zur heimlichen und unheimlichen Literaturstadt zugleich wurde. Christine Frisinghelli, die in ihrer Rede an frühere, gemeinsame Forum-Stadtpark-Zeiten erinnerte, sprach von einem „idealistischen Underground“, der auch die Politiker, teils wortstark und sprachlich unsanft, aus ihrem Dornröschenschlaf holte.
Der Abschied, der in vielerlei Hinsicht keiner gewesen ist, war reich an berührenden Momenten, auch durch die musikalische Umrahmung, die stets auch daran erinnerte, wie nahe Alfred Kolleritsch der Musik stand und wie reich seine Werke, allen voran die Gedichte, an Klang- und Tonfarben sind.

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer war auch privat eng mit Alfred Kolleritsch verbunden
Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer war auch privat eng mit Alfred Kolleritsch verbunden © (c) Manuel Hanschitz

Und noch etwas schwebte stets, ausgesprochen oder still, im Raum. Friedrich Hölderlins Postulat „Was bleibet aber, stiften die Dichter“. Die Nähe zu Hölderlin brachte Klaus Hoffer, ebenfalls ein Kolleritsch-Freund früher Stunde, zum Ausdruck, der Germanist und „manuskripte“-Autor Helmut Moysich ergänzte das: „Wir sind für ewig beschenkt durch seine Werke.“ Geschenke sind es in der Tat, wenngleich Alfred Kolleritsch einen frühen Gedichtband („Einübung in das Vermeidbare“) mit skeptischen Worten versah: „Meinen Einfällen vertraue ich nicht.“ Wer so viel Vertrautheit schuf, in seinen Worten, in seinem Handeln, in seinem innovativen Denken, hat keinerlei Grund dazu.

Andreas Unterweger stand Kolleritsch auch in den Jahren seiner schweren Krankheit zur Seite
Andreas Unterweger stand Kolleritsch auch in den Jahren seiner schweren Krankheit zur Seite © (c) Manuel Hanschitz

LH Hermann Schützenhöfer, auch privat viele Jahre lang mit Alfred Kolleritsch befreundet, verlieh dem literarisch-philosophischen Geistesriesen noch einen speziellen Ehrentitel: „Alfred Kolleritsch ist und bleibt der steirische Sokrates."

Barbara Frischmuth erinnerte sich an den "lehrenden Literaten"
Barbara Frischmuth erinnerte sich an den "lehrenden Literaten" © (c) Manuel Hanschitz

Der Forscher im nachtklaren Sprachraum ist heimgekehrt, zu den ersten und letzten Dingen, die Summe der Tage ist gezählt, und doch ist das Ende ein neuer Anfang nur, eine neue Weise des Wiedersehens, des Wiedererkennens, des Wiederverstehens eines Nicht-mehr-Daseins, das dennoch besteht und dauerhaft bleibt.