Ihr Plattenlabel beschreibt sie unter anderem so: "She does more than sing. Her body and face - a weapon of theatre." Was das heißen soll? Video zu "The Barrel", der ersten Single des so eben erschienenen Albums "Designer", anschauen und -hören. Aldous Harding erscheint mit einem hohen weißen Hut, ihr Körper wiegt hin und her. Irgendwie zwanghaft und irgendwie doch im Groove. Dann der sanfte Indie-Folk-Pop: Je länger man sich darauf einlässt, umso charmanter, schmeichelhafter, wie in einem wohltemperierten Schaumbad, so fühlt man sich. Die Lieder der Neuseeländerin gehen im wahrsten Sinn unter die Haut - schön erfrischend und erschreckend verstörend zugleich. Doch damit genug der schönen Bilder, jetzt mehr Faktisches.

So genannte Singer/Songwriter-Platten gibt es viele. Jedes Monat erscheinen neue, werden kommende Stars angepriesen. Aldous Harding ist kein Star, wird nie einer sein. "Designer" ist aber mit Sicherheit eine der besten und wichtigsten Neuerscheinungen 2019. Die Sängerin ist zumindest Europäern erst seit 2015 bekannt. Frühe Aufnahmen hören sich an, als würde die Stimme von Kate Bush mit Songs von Will Oldham gemischt. Das Album "Party" (2017) wurde bereits von John Parish (vergleiche: PJ Harvey) produziert, klingt aber - je nach Geschmack - noch ziemlich düster und brüchig.

Für das bisherige Meisterstück "Designer" war wieder Parish dran und hat wunderschönen Songs wie "Fixture Picture" oder "Zoo Eyes" einen instrumental fetteren Aufguss verpasst. Hardings Musik ist dank neuer Instrumentierung (Holzbläser, Streicher) auch wärmer geworden. Und die Texte? Das muss jeder für sich beantworten, falls es überhaupt notwendig ist. Nur so viel: Meistens sind es keine herkömmlichen "Storys", eher Bilder, Phrasen, Momentaufnahmen. Irgendwie verrückt eben, aber die Hauptsache: Man spürt ganz viel.

Und diese Neuerscheinungen sind unter vielen anderen auch sehr hörenswert:

Kevin Morby ("Nothing Sacred/All Things Wild"): Noch so ein talentierter Singer/Songwriter. Ein US-Boy und natürlich inspiriert von Bob Dylan und Lou Reed. Sein Album heißt "Oh My God" - also Folkrock trifft auf Gospel? Ja, das passt!

Fat White Family ("Tastes Good With The Money"): Die spinnen, die Briten. Die Skandal-Combo auf musikalischer Zeitreise: Sixties, Glam-Rock, New Wave. Das neue Album heißt ja auch "Serfs Up" (schau nach bei Beach Boys: "Surf's Up"). Übrigens: Gute Unterhaltung beim Video!

Anderson.Paak ("King James"): Der Mann beherrscht die Mainstream-Hip-Hop-Variante, holt auch Genre-Götter wie Kendrick Lamar hie und da ins Boot. Sehr soulig, sehr groovy - warum auch nicht?

Monobrother ("Solodarität"): Wiener Mundart-Rap, echt leiwand. Weitere Erklärungen am besten bei den Live-Konzerten, zum Beispiel am 11. Mai im Grazer PPC.

Kleines Nachspiel: Noch zwei Tipps für Fans von Rock-Klassikern!

JJ Cale ("Stay Around"): Eric Clapton hat seine Songs gecovert und wurde damit erfolgreich ("Cocain", "After Midnight"). Knapp sechs Jahre nach dem Tod des großen US-Bluesers und Country-Man kam jetzt ein Album mit unveröffentlichten Songs auf den Markt. Wunderschön.

Kelsey Lu ("I'm Not In Love"): Wer erinnert sich noch an 10cc? Die britische Softrock-Band landete 1975 mit "I'm Not In Love" einen Welthit. Die amerikanische Sängerin und Cellistin Kelsey Lu covert auf ihrem Debüt-Album den Song. Oder hab ich das nur geträumt? Reinhören!