Nach dem Abgang von Dirk Kaftan Richtung Bonn war 2017 rasch eine würdige Nachfolge gefunden: Oksana Lyniv, bis dahin Assistentin von Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper in München, nahm trotz Anfragen mehrerer Häuser ihre erste Position als Chefdirigentin in Graz an und „verliebte sich sofort in das Grazer Opernhaus und in die Stadt“.

Bei ihrer Erstvorstellung versprach die Ausnahmedirigentin, ihre gesamte Energie und Leidenschaft in die Arbeit zu stecken. Versprochen, gehalten. Feinsinnig, analytisch, emotional, erzählerisch: So präsentierte sich die Ukrainerin in den drei Jahren sowohl im Graben als auch in Konzerten im Musikverein oder bei der styriarte.

Bereits zum Auftakt in Tschaikowsky „Eugen Onegin“, der „Traumoper“ ihrer Kindheit, zeigte sich, wofür Lyniv schon zuvor international Beachtung gefunden hatte: intensive Proben für die eigenständige Interpretation, individuelle Arbeit mit den Stimmen, Explosivität, aber auch Intimität am Pult. Auch in anderen Produktionen wie Verdis „Don Carlo“, Mascagnis „Cavalleria rusticana“ oder der „Salome“ von Richard Strauss hinterließ die 42-Jährige mit ihren tiefgängigen Deutungen Eindruck.

Zwischendurch kursierende Gerüchte, es gebe Unstimmigkeiten zwischen der Chefin und den Grazer Philharmonikern, wurden offiziell dementiert. Ende 2018 gab Lyniv ihren vorzeitigen Abgang bekannt: Die Verpflichtungen einer Chefdirigentin würden sich nicht mehr mit ihren vielen zusätzlichen Engagements vereinbaren lassen. Daher wolle sie nach der Saison 2019/20 freischaffend tätig sein.

Lyniv verabschiedet sich nun von Graz und ihrem Publikum nicht wie geplant mit großen Opernszenen, sondern mit einem durch Corona bedingten intimen Dreifach-Konzert vor jeweils 100 Zusehern  „Ein Strauss zum Abschied“ heißt das Programm, das Oksana Lyniv zum Abgang zusammengestellt hat. Einen großen Strauß zurück von den Opernliebhabern an eine Opernliebhaberin, die in Graz viel Sinn und Sinnlichkeit versprühte.