Drei Monate war das Haus verstummt. Dass die Wiederbegegnung mit den Stimmen des Ensembles zur emotionalen Angelegenheit werden würde, war klar - aber das Ausmaß war dann noch frappierend. Seit eineinhalb Jahrhunderten gibt es Tonaufzeichnungen, die Technik hat sich enorm verfeinert und verbessert und doch: Es ist offenbar niemals gelungen, eine menschliche Singstimme wirklich verlustfrei aufzuzeichnen. Irgendetwas geht bei der elektronisch-mechanischen Übertragung verloren. Die Präsenz der Stimme, die Fülle ihres Wohllauts lässt sich nicht technisch reproduzieren.

Aus diesem Grund ist für jeden, der nicht zufällig mit einem professionellen Sänger zusammenwohnt, ein so ein Abend wie ein Ohrenöffner. Hier geht es in zweiter und dritter Linie um Fragen der Interpretation, um jene Maßstäbe, an denen Kunst sonst vermessen und bewertet wird. Es ging nur um Stimmen in einem Raum, die schiere Präsenz, die bisweilen eine überwältigende Wirkung erzielten. Daran konnte auch der spärlich besetzte Oper nichts ändern.

Kein bunter, ein tiefer Abend

Die Mitglieder des Ensembles hatten ein Programm zu den Musen zusammengestellt, was Tür und Tor für einen bunten Abend öffnete. Doch der Abend war nicht bunt, sondern tief. Verdi, Mozart, Schubert, Brahms, Gluck, Korngold, Tschaikowsky, Wagner, Beethoven, Humperdinck, Bizet, Rossini, Heuberger und Porter waren die Schöpfer der Klänge, die die Sänger und ihre Klavierbegleiter zum Leben brachte. Man war gerührt wie der Verdurstende vom ersten Glas Wasser nach der Wüstendurchquerung. Wilfried Zelinka, der Schuberts "An die Musik" sang, Leporellos Registerarie, interpretiert von Neven Crnic, Tetiana Miyus' Hymne aus Rossinis "Reise nach Reims" bis hin zum in sternenflammender Schönheit dastehenden Duett aus Bizets "Perlenfischer", gesungen von Pavel Petrov und Dariusz Perczak: Es waren besondere Momente von emotionaler Wucht, der sich keiner mit Ohren entziehen konnte.

Coronabedingt durften nur 100 Personen in den Zuschauerraum.
Coronabedingt durften nur 100 Personen in den Zuschauerraum. © Wolf/Grazer Oper

Wer diesen so speziellen Stimmen-Abend aus den Bereichen Oper, Lied, Musical und Operette erleben möchte: Am 5., 6., und 20. Juni ist noch Gelegenheit. Es ist eine einzigartige Sache dank Tetiana Miyus, Neven Crnic, Mario Lerchenberger, Wilfried Zelinka, Eva-Maria Schmid, Anna Brull, Ivan Orescanin, Pavel Petrov, Sieglinde Feldhofer, Dmitrii Lebamba, Markus Butter, Mareike Janoski, David McShane, Günter Fruhmann, Macus Merkel und  Ulrike Mattanovich.