Ein Supergau für die Kultur? Das Coronavirus wird in Österreich in den kommenden drei Wochen für starke Einschränkungen des kulturellen Lebens führen. Das Dienstagmittag von der Bundesregierung verkündete Verbot von Freiluft-Events mit mehr als 500 Besuchern und Indoor-Veranstaltungen mit über 100 Gästen bis Ende März trifft Österreichs Kulturleben dramatisch.

Im Laufe des Dienstag haben alle größeren Theater, Konzert- und Opernhäuser des Landes Absagen bekanntgegeben, die bereits mit heute Abend in Kraft treten. Davon ist etwa auch eine für heute geplante Uraufführung an der Kammeroper betroffen, die zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit (aber vor Medienvertretern) stattfinden hätte sollen, am Nachmittag aber auch abgesagt wurde.

An den Bundestheatern werde für die kommenden Premieren, deren März-Termine nun nicht eingehalten werden können, weiter geprobt, sagte Bundestheater-Holding-Chef Christian Kircher, man hoffe, diese im April nachholen zu können. Gleiches gilt für viele weitere Theater in Wien und den anderen Bundesländern. Nicht nur Musikverein und Konzerthaus, auch kleinere Konzertveranstalter wie das Wiener Haus der Musik und das Schönberg-Center gaben ihre Absagen bekannt. Alleine die Stadthalle Wien cancelte 23 Events,darunter das für 20. März geplante Santana-Konzert.

Die Frage von Entschädigungen von Versicherungen oder Subventionsgebern dürfte die Kulturbranche in den nächsten Wochen intensiv beschäftigen. Der Staatsoper würden pro Tag durchschnittlich 130.000 bis 140.000 Euro an Einnahmen entgehen, sagte etwa Staatsopern-Direktor Dominique Meyer: "Ich glaube wirklich, dass wir da Unterstützung brauchen vom Staat." Yvonne Gimpel, die Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich, sprach von einer "Schockwelle, die sehr viele Fragen aufwirft". Gerade kleinere Kulturinitiativen seien in hohem Maß auf Eintrittsgelder angewiesen: "Da wird es wohl Entschädigungen geben müssen."

"Die heutige Ankündigung ist für den österreichischen Kunst- und Kulturbetrieb eine große Herausforderung. Es ist eine außergewöhnliche und noch nie dagewesene Situation. Wir sind dabei die Folgen abzuschätzen", hieß es in einem Statement von Kunst- und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne). "Es ist klar, dass der Kunst- und Kultursektor ein für Österreich essenzieller Wirtschaftsfaktor ist, auch für den Tourismus. Wir sind dabei zu klären, ob und wie die Auswirkungen auf die Kulturbranche abgefedert werden können."

Die Rauriser Literaturtage (25. bis 29. März) werden auf das kommende Jahr verschoben. Auch mit einer Absage des Diagonale-Filmfestivals in Graz (24. bis 29. März) wird fix gerechnet. Hier dürfte man aber vor allem aus versicherungsrechtlichen Gründen auf die für heute Nachmittag erwartete konkrete Formulierung und Ausfertigung des Regierungs-Erlasses warten.

Dann dürften auch die Museen und Ausstellungshäuser mehr Klarheit über ihr Vorgehen haben. Die Albertina hat etwa die für Donnerstag vorgesehene Eröffnung der "Albertina modern" im umgebauten Künstlerhaus abgesagt, hat aber vor, die neue Dependance für das Publikum am Freitag normal zu öffnen. Durch das Ausbleiben von Besuchern aus Spanien, Frankreich, Italien, den asiatischen Ländern oder den USA seien bereits in den vergangenen Tagen starke Besucherrückgange in der Albertina zu verzeichnen gewesen, sagte Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder.

Die Kinobranche reagiert auf die von der Regierung verkündeten Einschränkungen von Veranstaltungen mit der Beschränkung von Sitzplätzen. Auch hier wird auf den konkreten Wortlaut im Erlass der Regierung sowie auf Empfehlungen seitens des Fachbereichs in der Wirtschaftskammer gewartet. Die Kinokette Cineplexx mit insgesamt fast 30 Häusern in ganz Österreich interpretierte die Vorgabe so, "dass sich die neuen Empfehlungen der Regierung bei uns auf die Menge an Personen pro Film-Vorstellung und jeweiligem Saal beziehen. Wir haben daher bereits erste Maßnahmen ergriffen: Während die Anzahl der Vorstellungen unverändert bleibt, beschränken wir die Anzahl der Plätze für eine Vorstellung auf unter 100 Personen." Zudem sollen jeweils Sitze zwischen den verkauften Plätzen freibleiben, wie eine Cineplexx-Sprecherin mitteilte. "Das haben wir in unserem Online-Reservierungs-Tool bereits veranlasst."