Wasser ist von den vier Elementen dasjenige, mit dem der Mensch am meisten begreift, dass er Teil der Natur ist“, sagt Tan Dun. „Ich reise viel und sehe immer weniger sauberes Wasser. Wasser schenkt das Leben und ist selbst Leben. Daher versuche ich, Wasser in meiner Musik zu repräsentieren. Es interessiert mich nicht so sehr, seinen Klang zu reproduzieren, sondern sein Verhalten, das Fließen.“

Am stärksten kommt das in „Water Concerto for Water Percussion and Orchestra“ zum Ausdruck. Der in New York lebende chinesische Geiger, Dirigent und Komponist sieht im Wasser „Tränen der Natur“. Zum Weinen ist sein in doppeltem Sinne spritziges Werk von 1998 aber keineswegs, im Gegenteil. Der 62-Jährige, durch seine im Jahr 2000 Oscar-prämierte Filmmusik zu Ang Lees Schwertkämpferdrama „Tiger and Dragon“ einem breiteren Publikum bekannt geworden und 2017 bei der Biennale in Venedig mit einem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk gewürdigt, lässt den Solisten mit dem Element Wasser in vier großen Plexiglasschüsseln spielen und zudem Rohre, Becher, Flaschen, Siebe, Geigenbögen, Tischtennisschläger et cetera benutzen.

Komponist Tan Dun (62): „Wasser schenkt, Wasser ist Leben“
Komponist Tan Dun (62): „Wasser schenkt, Wasser ist Leben“ © APA/Nana Watanabe


Im Fall des Doppelkonzerts in der Orchesterreihe von recreation in Graz ist das eine Solistin. Und was für eine! Die famose Schlagwerkerin Evelyn Glennie ist die absolute Königin ihres Fachs. Dabei hatte die gebürtige Schottin denkbar schlechte Startbedingungen: Wegen einer Nervenkrankheit reduzierte sich ihr Hörvermögen schon mit zwölf Jahren auf 20 Prozent, allerdings: „Wenn Sie über Taubheit reden wollen, dann sprechen Sie mit einem Ohrenarzt. Mein Spezialgebiet ist die Musik“, kontert Glennie so ruhig wie selbstbewusst auf das für andere immer wieder „spannende“ Thema.

Sie wollte nie wie ein „Naturwunder“ herumgereicht werden und erschloss sich den Kosmos der Klänge und Rhythmen auf eigene Art. Schließlich liegt ihr Sinn für Musik im Blut und nicht in den Ohren. Außerdem kann man wie die 54-Jährige Sounds fühlend hören: in den bloßen Füßen, im Gesicht, im Nacken, im Brustkasten. „Good Vibrations“ heißt folgerichtig ihre Autobiographie, ein Bestseller, den sie 1990 schrieb.


Glennie, die auch eine Fotoagentur, ein Schmucklabel und eine Merchandising-Firma betreibt, wodurch sie nicht mehr so oft im Sattel ihrer roten MV Agusta sitzt, hat in ihrem Studio nördlich von London mehr als 2000 Perkussionsinstrumente stehen. Für das 27-minütige Tamtam in Tan Duns „Water Concerto“ wird sie etliche davon in den Stefaniensaal stellen, das wichtigste „Instrument“ aber wird aus der Wasserleitung kommen. Zuhörer in den ersten Reihen: eventuell Pelerinen mitbringen!

www.tandun.com
www.evelyn.co.uk