Wie entstand beim Bayern Jonas Kaufmann die Liebe zu Wiener Melodien?
JONAS KAUFMANN: Sie waren für mich seit jeher „Gute-Laune-Musik“. Wenn ich als Student ungeliebte Arbeiten wie Putzen oder Staubsaugen vor mir hatte, musste ich nur die „Fledermaus“-Aufnahme mit Carlos Kleiber aus dem Regal nehmen, und die hat mir sofort ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Nicht zu vergessen: Die erste professionelle Bühnenproduktion, in der ich – noch während des Studiums – mitwirkte, war „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauß in der Saison 1993/94 am Theater in Regensburg.

Haben Sie faktisch Ihre Lieblingstitel ausgewählt?
Nein, und zwar in dem Sinn, dass gar nicht alle auf einer CD Platz haben.

Aufgenommen haben Sie mit. . .
...natürlich mit den Wiener Philharmonikern unter Ádam Fischer. Welches andere Orchester wäre da sonst in Frage gekommen?

Es gab jemanden, der Sie wienerisch geprägt hat?
Sicher meine Großmutter mütterlicherseits. Sie hatte eine sehr schöne Stimme. Sie war eine typische Hausfrau, hat wie wahnsinnig gekocht und gebacken, dazu hat sie den ganzen Tag geträllert. Sie hat voller Liebe die Evergreens eines Johann Strauß, Franz Lehár oder Robert Stolz gesungen. Das genaue Kontrastprogramm zum Vater meines Vaters. Der ist nur auf „Deutsch“ abgefahren, war ein leidenschaftlicher Wagnerianer. Er war aber auch nie so lustig wie die Großmutter.

Für das Album „Wien“ haben Sie ja ein buntes Repertoire ausgewählt. Nicht nur Strauß, Lehár oder Robert Stolz, sondern auch ein Lied von Georg Kreisler. Wobei auffällt, dass sie den genauso perfekt nachahmen können wie Hans Moser oder Helmut Qualtinger.
Ja, weil ich Dialektfan bin. Ich habe privat viele Kreisler-Songs im Repertoire. Seine Platten spiele ich oft auf und ab. Es ist einmalig, wie er seiner Gesellschaft den Spiegel vorgehalten, ihre mangelnde Bereitschaft zur Vergangenheits-Aufarbeitung bissig und scharf erkannt und das mit so viel Liebe in herrliche Melodien verpackt hat. Genial!

Die Beziehung zu dieser Stadt hat sich bei Ihnen aber generell nichtschnell entwickelt?
Das stimmt. Es geschah eher langsam. Ich war 14, 15, als ich zum ersten Mal hierher kam. Später, als Student, kam ich ein bissl öfter. Und zuletzt, wegen meiner Frau, noch öfter. Auch mein Kontakt mit der Staatsoper entstand nicht über Nacht, das schleppte sich anfangs eher mühsam dahin. Aber ich darf jetzt schon versprechen: In der neuen Ära, also ab Herbst 2020, wird sich das ändern. Freut mich besonders, denn ich habe diese Stadt wirklich lieben gelernt. Zum Beispiel gab es bei mir hier keine Bus- oder Bahnfahrt, bei der ich nicht gefragt wurde, warum ich nicht öfter da bin. Und ich kenne keine andere Stadt, in der sich die Leute so sehr für die Oper interessieren. Meine Frau hat ja viel in und mit Wien zu tun, und wenn ich sie besuchte und zurück nach München fuhr, ließ ich es mir oft nicht nehmen, an Lieblingsplätzen zu stoppen. Ich mag die Kaffehäuser in den Außenbezirken, manche mit ein bissl morbidem Charakter.



Ihre nächsten Opernauftritte haben ja auch mit einem (Alt-)Österreicher zu tun. Ab 18. November singen Sie an der Bayerischen Staatsoper in Erich Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt“ die schwere Partie des Paul.
Ein Traum für mich, obwohl ungeheuer schwierig. Da wurden schon von namhaften Sängern manche Töne weggelassen, auch auf Schallplattenaufnahmen fehlt dies oder jenes. Ich sehe das jedenfalls als riesige Herausforderung, wir haben den Ehrgeiz, alle Korngold-Melodien original und ohne Striche zu präsentieren.

Zu Silvester haben sie bekannt gegeben, dass sie die Opernregisseurin Christiane Lutz geheiratet haben. Ihr „Liebes-Outing“ erfolgte 2014, damals sagten Sie: „Ich kann mich nicht an so eine Liebe erinnern, die einen trifft wie der Blitzschlag“?
Ich kann unsere Heirat nur noch einmal bestätigen. Wir haben uns in meiner Heimatgemeinde in der Umgebung von München trauen lassen.