Rusalka liegt im Trend. Das mag am Thema liegen, der schmerzenden Schnittstelle zwischen Mensch und Natur. Es mag auch daran liegen, dass heutige theatralische Möglichkeiten interessantere Deutungen des rätselhaften Märchens zulassen als der platte Naturalismus vergangener Epochen. Wenn man’s kann.

Das Theater an der Wien zeigt derzeit in einer Stadt, in der zwei Rusalka-Produktionen laufen, eine dritte. Dafür sollte es eigentlich gute Gründe geben – eine zwingende Deutung zum Beispiel. Amélie Niermeyer, die am Haus eine wunderbare, schlichte „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“ von Rossini gezeigt hat, scheitert aber am komplexen Stoff kläglich. Ihre Rusalka findet drei Stunden lang die Seele nicht, die sie sucht.

Wir befinden uns in einem seltsamen Hybrid aus Nobelwohnung, Fritzl-Keller und Kanal. Hier haust Rusalka mit ihren Schwestern und dem Wassermann, der sie manchmal grundlos schlägt, dann wieder sie ihn. Eine Rolltüre weiter lebt Jezibaba, sonst eine Hexe, hier eine mondäne, vom Leben enttäuschte Schreckschraube. Die Szenerie steht wohl unter Wasser. Sehen kann man das im Parkett nicht, der Bühnenrand ragt zu hoch auf – ein Anfängerfehler von Christian Schmidt.

Von den mannigfaltigen Deutungsmöglichkeiten, die das Programmheft auftut, wird keine erkennbar. Dafür sieht man tapsige Personenregie, unmotiviertes Waten, Gestikulieren oder Stiegensteigen. Der Prinz gockelt gar mit stolz entblößtem Gemächt durch den Raum, was ungewollt Heiterkeit auslöst.

Dass diese Rusalka das Publikum kalt lässt, liegt auch an David Afkham. Der dirigiert die sehnsuchtsschwere Musik Dvoraks so kühl und uninspiriert, als ließe er das ORF-Orchester die Noten buchstabieren. Ein gemütsarmer musikalischer Unterboden, auf dem nicht viel gedeiht. Da hilft der international gebuchte Wassermann Günther Groissböck so wenig wie Maria Bentsson, deren glockenhelle Höhen Tränen in die Augen treiben können. Mit ihren Emotionen rennen sie gegen Gummiwände. Ladislav Elgr singt Rusalkas Prinzen mehr grobschlächtig als schön, Natascha Petrinsky ist eine schrille Hexe. Auch Markus Butter als Heger kommt in dieser unterkühlten Rusalka-Welt nicht zur Geltung. So war das wohl alles nicht gemeint von Dvorak und Kvapil. Matter Applaus.